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Das Hilldale im falschen Jahr

Während meiner Rückfahrt aus Sydneys Stadtzentrum mit der Sydney-Ferry (Fähre) teste ich, bei einem Anruf an den General-Manager der Sydney Bears, ob meine neue Optus-Karte, die Swisscom Australiens, auch funktioniert. Er erklärt mir, dass bereits heute Abend um 20 Uhr 30 ein Eistraining stattfinden würde und dass ich zum Training kommen soll. „Okay that’s great!“ Um 18 Uhr bin ich zurück an der „Martin Street 42“ in Harbord, Manly, wo ich für sieben Wochen wohne, um meine Eishockey-Ausrüstung zu holen.

Um 18 Uhr 55 gehe ich beim Hafen von Manly, dem „Manly-Wharf“, auf die Fähre. Auf der Fähre begegne ich zwei kanadischen Touristen welche lachend sagen: „Wir dachten Kanadier sind verrückt nach Eishockey, aber dieser Schweizer…“, sie lassen sich sogar mit mir fotografieren. Um 19 Uhr 30 steige ich am Circulary-Quai, dem Zentrum von Sydney bei der Oper und der Harbour Bridge, in den Zug Richtung Parramatta. Um 20 Uhr 15 erreiche ich nach einer Rund 45 minütigen Fahrt endlich Parramatta…

Michael Krein, Sydney Bears

…noch 15 Minuten bis zum Training, verdammt ich verpasse es. Naja dann gehe ich wenigstens noch vorbei und schaue mir das Niveau der Spieler an, denke ich mir. Von Parramatta dauert es mit dem Bus nochmals 20 Minuten bis nach Baulkham Hills, beim Solent Circuit 11, wo das Sydney Glaciarium, die Eishalle, steht. Mittlerweile ist die Sonne längst untergegangen und niemand, beim entsteigen des Buses in Baulkham Hills weiss wo das Eisstadion liegt und von Hockey erst recht nichts…

…schliesslich komme ich um 21 Uhr irgendwo in den Weiten Sydneys zu einem Tankshop, einer der tankenden Aussies, weiss tatsächlich wo es zur Eishalle geht. Yeah… …denke ich. Sechs Strassen weiter nach Westen, immer noch fest entschlossen, aber mittlerweile zirka 50 km von Manly entfernt, marschiere ich mit Hockey-Ausrüstung durch Sydneys Agglomeration von Baulkham Hills. Das Quartier muss man sich etwa so vorstellen, wie im Film „Back-To-The-Future-II“, als Marty McFly aus der Zukunft in seine „veränderte alte“ Heimat zurückkehrt, „das muss das falsche Jahr sein? sagt Michael J. Fox im Film-Klassiker. Eine düstere Gegend, alte Holzhauser, dreckige Vorgärten und dies nun schon nach 21 Uhr in einem fremden Land, mit einer fremden Sprache. Während meines Marsches in dunklen tiefen der „Hills“ oder dem Hilldale im falschen Jahr, klingelt mein Natel und meine Freundin leistet mir glücklicherweise rhetorisch Gesellschaft.

„Nur noch der Mond ist mir vertraut.“

— Michael Krein, verloren in Sydney

Während des Telefonats dringe ich immer tiefer in die düstere Gegend von Baulkham Hills vor, ohne zu bemerken, dass ich mich wohl langsam aber sicher auf den Rückweg machen sollte. Schliesslich stoppe ich meine Odyssee an einer Bushaltestelle und beende, um mich zu konzentrieren, das vertraute Ferngespräch. Die letzte Fähre Richtung Manly fährt um 23 Uhr 45 und ich sehe weit und breit nichts von einer Eisbahn und das Training musste längst zu Ende gewesen sein. Nach einer Viertelstunde vergeblichen Wartens auf den Bus, überkam mich das komische Gefühl, dass hier vielleicht gar keine Busse mehr fahren, in diesem Moment waren mir nur noch meine eigene Kleidung, die Hockeytasche und der Mond vertraut.

Der Mond ist überall auf dieser grossen weiten Welt, ob ich in Aarberg auf dem Balkon sitze, auf den Malediven weile, in den Bergen bin, im Militär bei einer Nachtübung im Baselbiet, im Flugzeug oder irgendwo unterwegs in Lyss, der Mond ist immer da. Dies gibt mir eine Portion Sicherheit oder zumindest das Gefühl, doch nicht ganz alleine zu sein. Glücklicherweise kommt ein Taxi vorbei und nimmt mich mit in Richtung Bahnhof-Parramatta. Dem Taxifahrer erkläre ich mein vergebliches Warten auf den Bus, „Nein, nein der Bus fährt noch“, erklärt mir der Taxifahrer. Anstelle der drei Dollars für den Bus, kostet mich das Taxi zirka 25 australische Dollar. So bitte ich den freundlichen Taxi-Mann mich bei der nächsten Bushaltestelle wieder abzuladen, für meine Kurzfahrt muss ich nicht Mal etwas bezahlen, wirklich hilfsbereit diese Aussies. Nach einem langen und anstrengenden Tag, ohne Training, erreiche ich im Circulary-Quai die zweitletzte Fähre nach Manly. Eines ist klar, diesen Weg werde ich auf diese Weise nicht noch einmal auf mich nehmen.

Jungs aus Mexiko?

Ich wusste, dass es auch in Canterbury einen Ice Rink gibt, allerdings nicht ob er noch genutzt wird. Dies hat mir am Vorabend auch der Bruder von Leah Mitchell (ich wohne während zwei Monaten bei den Mitchells in Harbord), der auch Michael heisst, bestätigt. In Canterbury, in der Agglomeration Sydneys, habe ich nach den Beschreibungen meines Namensvetters doch tatsächlich bereits nach fünf Minuten eine Sportanlage gefunden. Zu dieser Zeit fand dort draussen ein Landhockeyspiel der Frauen statt. Gleich nebenan war die vielversprechende Halle mit der Aufschrift „Olympic Ice Rink Canterbury“ yes, endlich australisches Eis.

Ein historischer Augenblick

Am 19. Juli 2003, um 14 Uhr war es soweit, ein historischer Augenblick für meine eigene persönliche Geschichte. Michael Krein erblickt zum ersten Mal australisches Hockey-Eis! Links und rechts, längsseitig waren kleine Tribünen angebracht, hinter dem einen Tor war nichts, wie in Biel, einfach eine Wand, hinter dem anderen Gehäuse der Eingang mit einem Hockeyshop! Im Hockeyshop erkundigte ich mich gleich nach dem Team, dessen Name ich bereits kannte, die Canterbury Eagles Sydney. Der Verkäufer des Hockeyshops gab mir die Natel-Nummer dessen kanadischen Trainers.

Der Coach ist begeistert und gibt mir die Natelnummer eines Spielers der in Manly wohnt, also im selben Stadtteil wie ich. Nachdem ich den Spieler, den Kanadier Jeff Klinck, kontaktiert habe, holt er mich um 19 Uhr 30 direkt bei Mitchells in Harbord mit seinem Auto ab – super was für ein Service. Er fährt irgend ein rotes Cabriolet. Also sind wir im offenen Wagen durch die halbe Stadt gefahren, unter anderem führt der Weg auch über die Harbour Bridge und Sydney bei Nacht lässt einem sicher nicht an Eishockey denken. Den Eindrücken zum Trotz, bestreite ich am 23. Juli 2003 mein erstes Training auf australischem Eis, schon während unserer Ausbildung zum Hochbauzeichner, zwischen 1993 und 1997, sprechen Marcel Althaus und ich oft darüber einmal in Australien Eishockey zu spielen. Nun war es soweit… …zumindest für mich, obwohl es als Duo sicher einiges einfacher gewesen wäre.

„Wo hast du die Jungs her, aus Mexiko?“

— Coach Murray Chadwick (Youngblood)

Doch habe ich noch keinen Hockeystock dabei, Holz darf in Down-Under nicht eingeführt werden, also gehe ich vor dem Training in den Hockeyshop um einen Stock (Bauer, Jere Lehtinen) zu kaufen. Naja so gross ist die Auswahl nicht und der Stock kostet mich 79 australische Dollar, ich denke in der Schweiz hätte ich diesen für 40 Franken erhalten. Mein Chauffeur Jeff Klinck ist unter anderem nicht nur Spieler der Eagles, sondern auch noch Assistenz-Trainer des Juniorenteams (U20) von Canterbury. So bestreite ich zuerst das Training mit den Junioren, die ist gut zum Einstieg nach meiner anderthalb-jährigen Hockeypause. Im Juniorenteam figuriert mit John Lavery ein U20-Internationaler Australiens, der bei uns höchstens 3. Liga Niveau erreichen würde.

Das Niveau dieses Juniorenteams erinnert mich an den Film „Mighty Ducks das Superteam!“ Einige bekunden sogar Mühe beim Schlittschuhlaufen… …dies ist das schlechteste Training welches ich je gesehen habe. Nach dem Junioren-Training findet dann das richtige Training statt, mit dem „Seniorteam“ der Canterbury Eagles, einst Meister der New-South-Wales-Super-League. Auch hier spielen einige, mir bereits bekannte Namen aus dem australischen Nationalteam wie Ross Moffat, Ryan Switzer, Steve Riley oder Radomir Benicky, sie alle bestritten mehrere Weltmeisterschaften in der C- oder D-Gruppe des Welteishockeys, Ryan Switzer stand zudem im All-Star-Team des Goodall-Cups von 1988 und war Nationaltrainer der Mighty-Roos.

Von Younglood und der East-Coast-Super-League

Der Beginn des Trainings erinnert mich wieder an einen Eishockeyfilm, dieses mal an „Youngblood“ oder in der deutschen Version „Bodycheck“, mit Patrick Swayze und Rob Lowe. Beim Betreten des Eises dachte ich an Coach Murray Chadwicks Spruch: „Wo hast du die Jungs her, aus Mexiko?“ Das Niveau des Teams würde ich als schlechtes Drittliga-Niveau bezeichnen. Doch es hat Spass gemacht wieder Mal auf dem Eis zu stehen und für mein erstes „richtiges“ Training, dass gewöhnlich immer speziell ist, lief es mir sehr gut. Bereits nach 30 Minuten meinten Jeff Klinck und Manager Don Scurfield, ich solle doch mit einem Team der „East-Coast-Super-League“ trainieren! Keine Ahnung? East-Coast-Super-League, klingt oder „klinckt“ gut nicht?