Am 9. August 2003 um 17 Uhr 30 besuche ich erstmals ein Spiel der obersten australischen Liga, der 2001 gegründeten Australian-Ice-Hockey-League (AIHL). Dabei stehen sich die Tabellendritten Western Sydney Ice Dogs aus Blacktown und die fünftplatzierten Melbourne Ice aus dem Bundesstaat Victoria gegenüber, beide Teams stehen erst in ihrer zweiten AIHL-Saison. Bin ich im falschen Film? Nach knapp einem Monat in Down-Under finde ich mich mitten im Eishockey-Rummel wieder. Als ich das Stadion, wobei Stadion vielleicht der falsche Ausdruck ist, mit den Worten «enjoy the game» und einem Matchprogramm (Faltblatt) passieren kann, kommen mir Fans in Trikots, Schals und Caps des Heimteams entgegen. Man hätte gerade so gut in der Schweiz bei einem 1. Liga Match sein können, welchem auch der Preis für das Ticket für zehn australische Dollars entspricht.
Das Spiel beginnt mit einer Verspätung von 45 Minuten, 45 Minuten Verspätung? Über den Speaker wird verkündet, dass die Mannschaft aus Melbourne aufgrund verkehrstechnischer Probleme später eintreffen wird. Für die siebte Auswärtspartie nimmt die Mannschaft aus Victoria eine neunstündige- und rund 900 Kilometer lange Fahrt in Kauf. Eine Distanz welche sich schon für mich innerhalb der gleichen Stadt bei der Anreise nach Blacktown widerspiegelt, zumindest liegt die Ice Arena, ein alter Sichtbacksteinbau der einem Einkaufszentrum ähnelt, keine fünf Minuten von der Blacktown-Station, dem Bahnhof, welcher innert knapp einer Stunde vom Zentrum Sydneys zu erreichen ist, entfernt.
Keine Zeit fürs Warm-up
Ob solche Verspätungen zur australischen Hockey-Normalität gehören? Apropos Normalität. Da es sich um eine Partie zwischen Teams aus zwei Bundesstaaten handelt, wird die australische Nationalhymne gespielt. Als das Spiel endlich beginnt, sitzen die letzten Melbourne-Cracks noch in der Kabine beim Anziehen. Doch auch komplett, spielen die stark dezimierten «Ice» mit nur elf Feldspielern. Western Sydney sieht mit drei kompletten Blöcken wesentlich professioneller aus. Melbourne wird, auch wenn die Partie nur 50 Minuten (2-mal 15 und einmal 20 Minuten) dauert, das Tempo nicht durchhalten können. Ihren Torhüter Chris Leetham, können die weiss-blauen, aufgrund der Verspätung, gar nicht einschiessen. Ein harter Alltag für die armen Gäste, welche nach der langen Busfahrt auch noch unkomplett und unvorbereitet ins Spiel starten müssen.
Und es kommt wie es kommen muss. Das Einschiessen von Leetham übernehmen die Ice Dogs und führen, durch zwei Treffer des kanadischen Import-Spielers Jason Haakstad, nach dem ersten Drittel mit zwei zu null. Haakstads Stil ähnelt dem von Marcel Jenni, in der Schweiz würde man sagen, «die australische Antwort auf Marcel Jenni.» Pro Spiel sind fünf Import-Spieler, als Ausländer gilt wer keinen Pass aus dem britischen Commonwealth besitzt, erlaubt. Bei dem Team aus Blacktown spielen mit Martin Jesko und Jason Juba zwei weitere «Imports», während Melbourne an diesem Abend mit Mel Linn, Steve Laforet, Trevor Baert und Jody Cavers, der den Ice-Dogs-Fans im Stil von Todd Elik den Stinkefinger zeigt, auf vier Imports zählen kann.
„Von den Minnesota-Duluth Bulldogs zu den Western Sydney Ice Dogs.“
— über Jason Haakstad als «Dog»
Diese gehen das Tempo erstaunlich gut mit, denn nach 23 Minuten, was in Australien schon die halbe Partie bedeutet, steht es immer noch zwei zu null für die Eishunde. Dann kommt der erwartete Einbruch und die altersschwache Anzeigetafel zeigt nach zwei Dritteln sechs zu null für das Heimteam. Am Ende steht es elf zu eins für die dominierende Mannschaft aus Blacktown, dessen Name vom ursprünglichen Siedlungsort der Aborigines stammt und 30 Kilometer westlich vom Zentrum liegt. Der Ort hiess einst «The Blacks Town» als Synonym für die gestohlene Generation von Aborigines-Kinder, welche dort bis 1833 in einer Schule kaserniert wurden. Erst 1862 erhielt der Sydneyer Vorort seinen heutigen Namen.
Zurück aufs «Eis», die meisten Tore gegen die «Ice» werden durch «Blacktowns» erste Formation mit Haakstad, dem Tschechen Martin Jesko und dem australischen Nationalspieler Andrew White erzielt. Das Niveau stufe ich zwischen unserer Ersten und Zweiten Liga ein, es ist schwer zu sagen, da Sydney an diesem Abend um Klassen besser spielt als sein Gegner. Eventuell könnte Sydney in der Ersten Liga mithalten? Ich habe über gewisse Spieler nachgeforscht und gesehen, dass Haakstad beispielsweise in der amerikanischen Western-Collegiate-Hockey-Association (WCHA) bei der Universität der Minnesota-Duluth Bulldogs gespielt hat. Der 26-Jährige war also schon vor Australien ein «Dog.»
Schäbige Banden
Das ganze Spielsystem wird stark beeinträchtigt durch den unkonventionellen und äusserst unkomfortablen Eisrink. Plexiglasscheiben hinter den Toren kennt die Blacktown-Ice-Arena nicht, da hängen einfach nur lose Netze, das sind auch die Zuschauer zu höchster Vorsicht aufgefordert. Dies macht ein Spiel, wie sonst via Bande üblich, unmöglich, Bandenpässe gibts praktisch keine. Dies gilt auch für hohe Pässe, die Hallendecke ist so tief, dass jeder Lob-Pass, durch das berühren der Decke, zum Unterbruch, unter den Schiedsrichtern ist auch eine Frau, führen würde. Down-Under gilt eben nicht nur für die auf dem Kopf stehenden Weltkarten, da liegt Australien jeweils auf dem Kopf im Zentrum, sondern auch für das ganze Spiel mit Puck und Scheibe, irgendwie ist hier alles Down Under.
Samstag, 9. August 2003
Western Sydney Ice Dogs – Melbourne Ice 11:1 (2:0, 6:0, 3:1)
Blacktown Ice Arena. – 150 Zuschauer. – Tore: Haakstad 1:0. Haakstad 2:0.
Western Sydney Ice Dogs: Becken; Wilson, Juba, Sekura, Abel, Perry, Petrie; Jesko, Haakstad, Andrew White, Gailloux, Collins, Stephenson, Dunwoodie, Morgan, Djamirze.
Melbourne Ice: Leetham; Gunn, Linn, Baert, McLaughlin, Moses, Howell, Hughes, Laforet, Muller, Cavers, Bennett.
Schreibe einen Kommentar