Turin retour in zwanzig Stunden

Turin retour in zwanzig Stunden

Olympische Spiele haben auch als Zuschauer etwas magisches, meine Kindheitserinnerungen gehen nach Albertville, das Olympische Turnier findet 1992 in einer sonnigen Februarwoche statt, die Hälfte der Spiele verpasse ich, weil ich mit der Schule im Skilager weile. Dennoch prägt mich das Turnier von Meribel. Die Franzosen steigen als frische A-Nation erstmals, auf Kosten der Schweiz in die Top-Acht auf. Die Schweiz enttäuscht mit dem zehnten Rang. Unvergessen bleibt Deutschlands Penaltykrimi gegen Kanada, mit dem «tragischen Helden» Peter Draisaitl.

Mit diesen Erinnerungen steht Olympia 2006 vor der Haustüre. So nah wie jetzt werde ich die Olympischen Spiele so schnell nicht wieder besuchen können. Also dann, nichts wie hin nach Turin. Mittwochs in der Früh, am 22. Februar, morgens um 7 Uhr 30 startet unsere olympische Mission in Lyss. 16 Uhr 30 sitzen wir in der provisorischen Olympiahalle von Turin, der «Esposizioni», an der Via Petrarca.

Vorher haben wir kurz Zeit, mit dem Olympischen Bus – wir parkieren am Stadtrand – ins Zentrum zu fahren und uns zu verpflegen. Die Strassen Turins sind äusserst belebt, überall sind Teamjacken von Athletinnen und Athleten zu sehen, ein Stadtzentrum ist nicht wirklich auszumachen, denn in der Trabantenstadt ist irgendwie überall Stadtzentrum. Der Olympia-Shop hält nicht was er verspricht, die Artikel sind nicht wirklich kaufwürdig. Hilfreich und freundlich sind dafür die Tourist-Guides, welche dich an jeder Ecke mit Karten und Wegweisern versorgen.

Doch nun zum Spielbeginn in der «Esposizioni.» Das Viertelfinalspiel zwischen der überraschenden Schweiz und dem Favoriten aus Schweden beginnt. Nach 30 Minuten stehts bereits 4:1 für die Mannschaft von Bengt-Ake Gustafsson und leider kann das Team von Ralph Krueger nicht an die Leistungen gegen Kanada (2:0) und Tschechien (3:2) anknüpfen. Die Erwartungen vor der Partie waren hoch, die Enttäuschung ebenfalls. So verabschiedet sich die Schweiz, trotz sensationellem Turnier, bereits im Viertelfinal. Im Duell der ehemaligen Feldkircher verliert Lehrer Krueger gegen seinen ehemaligen Schüler.

Am Abend steht ein weiterer Leckerbissen auf dem Programm, Russland trifft auf Kanada und beide in NHL-Bestbesetzung. Dazwischen gibts aber auch für uns einen «Leckerbissen» in Form einer Pizza, beim «echten Italiener» um die Ecke. Am Nachbartisch sitzen ebenfalls zwei Schweizer, Jann Billeter und Stefan Figi. Nach einem Smalltalk und einem guten Appetit bei Pizza-Prosciutto und Co. freuen wir uns alle auf die bevorstehende Affiche. Auf dem Weg zur «Pala Hockey» liegt an der Via Pietro Giuria 42 sogar ein Hockey-Shop mit dem passenden Namen Winter-World.

Kris Draper und Pavel Datsyuk bestreiten das Bully zum besten Spiel welches ich je im Stadion gesehen habe. Mit einem unheimlichen Tempo begegnen sich die grössten Rivalen des Eishockeysports in der hauptsächlich durch Russen besetzte Olympia-Halle. Eine Minute vor Schluss, beim Stand von 0:1, ersetzen die Kanadier Martin Brodeur durch einen sechsten Feldspieler, 28 Sekunden später muss Chris Pronger auf die Strafbank, Brodeur kehrt zurück und Russland erzielt noch das 2:0.

«Turin-retour» ist, trotz der Schweizer Niederlage, ein voller Erfolg. Die Reise hat sich gelohnt, auch wenn sich die Rückfahrt via Grosser Sankt Bernhard bis morgens um 4 Uhr ermüdend dahinzieht. Zwanzig Stunden und dreissig Minuten dauert der olympische Traum, kurz, intensiv, spektakulär und einmalig, so das Fazit. Der nächste Besuch bei den Olympischen Spielen wird frühestens 2018 sein.

22. Februar 2006 (16 Uhr 35) – Viertelfinal

Schweiz – Schweden 2:6 (1:2, 0:3, 1:1)
Esposizioni. – 2’970 Zuschauer. – SR Marouelli (Ka); Nelson /Seljanin (USA/Russ). – Tore: 4. Henrik Sedin (Daniel Sedin, Lidström) 0:1. 9. Streit (Della Rossa, Plüss) 1:1. 14. Modin (Forsberg, Alfredsson) 1:2. 23. Zetterberg (Holmström, Kenny Jönsson) 1:3. 30. Mats Sundin (Lidström, Alfredsson) 1:4. 33. Mats Sundin (Forsberg, Tjärnqvist) 1:5. 41. Lemm (Rüthemann) 2:5. 49. Pahlsson (Alfredsson, Axelsson) 2:6. – Strafen: Schweiz 4-mal 2 Minuten, Schweden 1-mal 2 Minuten.
Schweiz: Gerber; Keller, Streit; Blindenbacher (2), Hirschi; Seger, Bezina; Forster, Vauclair; DiPietro, Plüss, Della Rossa; Paterlini (2), Rüthemann, Ambühl; Conne (2), Jenni (2), Fischer; Lemm, Jeannin, Wichser.
Schweden: Lundqvist; Lidström, Öhlund; Hävelid, Tjärnqvist; Kenny Jönsson, Bäckman; Ronnie Sundin; Modin, Mats Sundin, Forsberg; Alfredsson, Pahlsson, Axelsson; Holmström (2), Jörgen Jönsson, Zetterberg; Samuelsson, Henrik Sedin, Daniel Sedin; Hannula.

Russland – Kanada

22. Februar 2006 (20 Uhr 35) Viertelfinal

Russland – Kanada 2:0 (0:0, 0:0, 2:0)
Esposizioni. – 4’130 Zuschauer. – SR Larue (USA); Sericolo /Karlsson (USA/Sd). – Tore: 42. Ovechkin (Kozlov /Ausschluss Bertuzzi) 1:0. 60. (59:37) Kovalev (Andrei Markov /Ausschlüsse Lecavalier, Pronger) 2:0. – Strafen: Russland 8-mal 2 plus 5 Minuten plus Spieldauer (Malkin), Kanada 8-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: Kanada zwischen 58:59 und 59:27 ohne Torhüter.
Russland: Nabokov; Andrei Markov, Daniil Markov (2); Tjutin, Volchenkov; Kasparaitis, Gonchar (2); Vishnevski, Zhukov (2); Kovalev (2), Datsyuk, Kovalchuk; Kozlov, Yashin, Ovechkin (2); Sushinski (2), Malkin (25), Charitonov; Afinogenov (2), Korolyuk, Taratuchin (2).
Kanada: Brodeur; Foote, Redden; Bouwmeester, Pronger (4); Blake, Regehr; McCabe; Iginla, Sakic, Gagné (2); Heatley, Richards (2), Draper; Bertuzzi (2), Thornton, Nash (2); St. Louis, Lecavalier (2), Smyth (2); Doan.

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