Tatort Playoff-Final in der 2. Liga, Gruppe 6, Westschweiz, Spiel 4 zwischen dem HC Sierre und dem Villars HC, 2’614 Zuschauer! Eine 2. Liga-Partie mit mehr als 2’600 Zuschauern? Kaum zu glauben. Mit den beiden Traditionsklubs Villars und Sierre messen sich zwei ehemals Grosse des Schweizer Eishockeys in dieser Finalserie. Immerhin gehörte Villars zu den acht Gründungsmitgliedern der Schweizerischen Eishockeyliga (die anderen sieben waren ebenfalls Romands) und wurde in den 60ern sogar zwei Mal Schweizermeister.
Wie konnte es überhaupt soweit kommen? Während der Villars HC immer noch in der von Madame Potin gesponserten Halle spielt und eigentlich zum Inventar der 1. Liga Westschweizer Gruppe gehört, hat sich Sierre nach dem Zwangs-Abstieg 2013 (notabene unter Trainer Morgan Samuelsson) aus der NLB direkt in der 3. Liga wiedergefunden.
Die Helden um die Gebrüder Croci-Torti und Boucher
Die Villardous (wie sie daheim genannt werden) hatten in der letzten Saison das Pech, die Playoffs in der 1. Liga um einen einzigen Punkt zu verpassen. Vor der Relegationsrunde wurde der Trainervertrag mit dem langjährigen Villars-Crack Gaëtan Boucher verlängert. Doch es kam anders als geplant. Niederlagen gegen Vallée de Joux (mit Coach Beat Kindler) und Yverdon besiegelten den Abstieg der Renards. Das alles hat Boucher an der Bande gar nicht mehr miterlebt. Zunächst wurde er krank gemeldet, anschliessend entlassen.
Das welsche Eishockey-Märchen von einst, erlebt in der 2. Liga eine Renaissance…
Der Abstieg war in Villars-sur-Ollon, wie die Station in den Waadtländer Alpen korrekt heisst, ein Drama. Trotzdem haben sich einige der routinierten Spieler auch für die 2. Liga zur Verfügung gestellt: Sémir Dufresne (Captain und Topscorer), Thierry Marro (der Patrick Kane des armen Mannes, würde Michael Krein in Anlehnung an einen berühmten Chronisten sagen), Nicolas Bernasconi (Ex-Martigny), Yves Jelovac (Bruder des EHC Biel Verteidigers) oder Vincent Ermacora (Ex-Gottéron). Präsident Philippe Bonzon (einst Teil der Meistermannschaft in den 60ern und nicht zu verwechseln mit dem französischen Nationalspieler und ex-Servettien Philippe Bozon!) holte junge Spieler, die in Villars ausgebildet wurden, zurück ins Team. Unterstützung erhalten die Renards auch von Lausanne-Hexer Cristobal Huet, der mit seiner Familie in Villars wohnhaft ist. Seine beiden Söhne spielen für die Nachwuchsteams des VHC und oft ist der französische Nationalgoalie in den Trainings der Youngsters engagiert.
Einst Aldo Zenhäusern und Didier Massy, heute Jan Zenhäusern und Johan Massy
Die Sierrois (oder Siderser) haben im März 2013 die Bilanz deponiert und mussten in der 3. Liga einen Neustart als HC Sierre wagen. Dort hielten sie sich nicht lange auf und sind direkt in die 2. Liga aufgestiegen (23 Siege in 23 Spielen). Das deponieren der Bilanz war auch für die stolzen Walliser ein Drama. Die altehrwürdige Patinoire-de-Graben ist dem Schreibenden noch bestens aus Duellen mit dem EHC Biel Mitte der 90er Jahre bekannt. Seither hat sich im Graben nicht viel geändert. Die mehrheitlich aus Stehplätzen bestehende Tribüne ist immer noch aus Holz – die Ambiance dafür einmalig. Hier wie dort wurde rund um altgediente Spieler junges Personal eingebaut. Der Erfolg hat sich rasch eingestellt. Und Sierre kämpft bereits wieder um den Aufstieg in die höchste Amateurklasse!
Zwischenstand in der Finalserie: 2:2
Am Sonntag um 20 Uhr wird es in der Patinoire-de-Villars nochmals heiss zu und her gehen. Die beiden Teams treffen sich zum alles entscheidenden fünften Finalspiel. Die Kapazitäten der Halle in Villars liegen zwar deutlich tiefer als in Sierre – aber mehr als 1’000 Zuschauer werden auch am Sonntag wieder ihre Teams anfeuern. Der Sieger wird sich in einer weiteren best-of-five Serie mit dem HC Star La Chaux-de-Fonds um den Romand-Titel in der 2. Liga messen. Eigentlich würde es sich lohnen, dabei zu sein…