Der Mythos um die unbekannte Legende

Der Mythos um die unbekannte Legende

Stellen Sie sich vor sie gehen am obenstehenden Bild vorbei und erwidern die historische Zeichnung, was tun Sie? Der uninteressierte 08/15-Fan geht weiter ohne das Foto genauer zu betrachten, der etwas ältere Ambrì-Tifosi oder der Eishockey-Historiker wird sich möglicherweise an die drei Spieler erinnern- und deren Namen aus seinem Langzeit-Gedächtnis ausgraben können. Versuchen Sie es gleich selber, bestenfalls werden Sie zwei Namen nennen, denn nicht einmal die Ambrì-Spieler wissen welche ihrer Vorgänger ihren Mannschafts-Car verzieren.

Der erste NHL-Superstar in Europa

Das Luzerner Carunternehmen Gössi aus Horw fährt den HC Ambrì-Piotta jeweils an die Auswärtsspiele. Das Legendentrio ist auf der Rückseite des Cars und lässt einem in längst vergangene Leventiner Zeiten abschweifen. Alle drei Spieler haben in der Valascia Kultstatus erlangt. Links ist Andy Bathgate, der erste grosse NHL-Superstar, der sich in Europa niedergelassen hat. Bathgate bestritt über 1’000 Partien in der NHL und seine Rückennummer 9 hängt unter der Hallendecke des Madison-Square-Gardens. 1971 kam der Kanadier direkt aus Pittsburgh in die Leventina, mit diesem Transfer schaffte es der Tessiner Dorfclub sogar in die «New York Times». Bathgate blieb drei Jahre im Tessin.

Der erste Number-One-Draftpick

Rechts ist das unverkennbare Porträt von Dale McCourt. McCourt wurde 1977 als Nummer 1 von den Detroit Red Wings gedrafted und war 1984 der erste  «NHL-Number-One-Draftpick» in der Schweiz (Nationalliga B). Für die Detroit Red Wings, Buffalo Sabres und Toronto Maple Leafs bestritt der Kanadier über 500 Spiele. Zwischen 1984 und 1992 schoss sich der Mann mit indianischen Wurzeln für die Biancoblu in die Unsterblichkeit, sein Trikot mit der Nummer 15 wird in Ambrì nicht mehr vergeben und hängt unter der Hallendecke der Valascia.

Der Mythos um die unbekannte Ambrì-Legende

Doch wer ist der unbekannte Mann in der Mitte? Seine Darstellung im Mittelpunkt von Bathgate und McCourt lässt darauf schliessen, dass es sich hierbei um die grösste Legende handeln muss. Er trägt das älteste bekannte Ambrì-Trikot und braune Lederhandschuhe. Geschichtlich betrachtet ist es Einer aus der ältesten Epoche des Kultvereins. Ein Foto vom Januar 1939 in Origlio zeigt die Mannschaft des HCAP im selben Trikot. Ist es etwa einer aus dem Celio-Clan? Bixio, Cipriano oder Numa? Auch Ambrìs Presseverantwortlicher und sämtliche anwesende Tessiner Journalisten können den Spieler vorerst nicht identifizieren – der Mythos und das Interesse um den Unbekannten steigt. Wer ist der Mann?

Die drei Legenden auf Ambrì-Piotta's Mannschaftscar verpassen kein Auswärtsspiel. (Foto: Krein)
Die drei Legenden auf Ambrì-Piotta’s Mannschafts-Car von Gössi verpassen kein Auswärtsspiel. (Krein)

Infiziert durch meine Neugierde wird auch Raffaela Agustoni, freischaffende Journalistin, hellhörig und geht ebenfalls auf die Suche nach der unbekannten Legende. Um die sagenhafte Geschichte noch zu steigern, drohe ich den Leventinern mit Ambrìs Gang in die Ligaqualifikation, falls der Name der Ambrì-Legende bis zum Ende der «best-of-seven» Serie gegen die SC Rapperswil-Jona Lakers nicht bekannt sein wird. Per Whatsapp bleibe ich auch nach dem zweiten Play-Out-Finalspiel zwischen Rapperswil-Jona und Ambrì (3:2) mit Signora Agustoni in Kontakt. Die Tessinerin macht sich während des dritten Spiels in der Valascia auf die Suche, Derek Holmes oder Nani Zamberlani kursieren als mögliche Legenden – trotz des zweiten Ambrì-Sieges (4:3nP), bleibt die Legende aber weiterhin nicht bestätigt.


“Der erste Ausländer und Spielertrainer in der Geschichte des HC Ambrì-Piotta.”

— über Bob Kelly

Spiel vier in Rapperswil, wieder betrachte ich das Legenden-Trio auf Gössis Car und frage den Car-Chauffeur Roberto Zilio. Wie erwartet ist auch ihm der mittlere Spieler unbekannt, doch weiss er, dass es sich um ein Kalenderbild aus der vergangenen Saison handelt. Auf der hcap-Homepage findet Zilio unter «Saldi» den «Serigrafia Vintage» mit dem Bild der gesuchten Legenden. Der letzte Mosaikstein scheint in Griffnähe, denn die Namen der drei sind unter dem Porträt publiziert, die Bildauflösung ist aber zu schlecht um die Buchstaben entziffern zu können.

Nach längerer Betrachtung scheint die Morgenröte der Leventina durch die Buchstaben durchzusickern, Bob Kelly? Es muss Bob Kelly sein. Kelly ging 1953 als erster Ausländer und Spielertrainer in die Geschichte des HC Ambrì-Piotta ein. In fünf Jahren realisierte der Kanadier in 70 Spielen, 126 Tore für die Leventiner. Kelly spielte auch noch für die britischen Spitzenclubs Paisley Pirates, Brighton Tigers und Wembley Lions. Kelly starb 2012 im Alter von 83 Jahren. Und der HC Ambrì-Piotta 2015? Wie von Geisterhand zauberten sich die Tessiner im vierten Play-Out-Spiel durch die Rapperswiler Abwehr, nach 15 Minuten lagen die Leventiner durch Tore von Keith Aucoin, Inti Pestoni und Christian Stucki bereits mit 3:0 in Führung. Meine Drohung scheint sich zu bewahrheiten, die Legende ist bekannt und Ambrì realisierte problemlos den dritten Sieg und liegt damit nur noch einen Schritt vom Ligaerhalt entfernt – vielleicht war es auch der Geist Bob Kellys welcher seine Nachkommen übers Eis fliegen liess…

19. März 2015 – Spiel 2

Rapperswil-Jona Lakers – Ambrì-Piotta 3:2 (0:1, 2:1, 1:0)
Diners-Club-Arena. – 4’511 Zuschauer. – SR Koch/Wiegand, Bürgi/Kohler. – Tore: 7. Aucoin (Sidler) 0:1. 29. (28:00) Danielsson (Walser, Schommer /Ausschluss Zgraggen) 1:1. 35. Steiner (Dostoinow /Ausschluss Hürlimann) 1:2. 36. Hürlimann (Ryser) 2:2. 51. Pedretti (Kuonen) 3:2. – Strafen: Rapperswil-Jona 6-mal 2 plus 5 Minuten (Rizzello) plus Spieldauer (Rizzello), Ambrì-Piotta 5-mal 2 plus 5 Minuten (Steiner) plus Spieldauer (Steiner). – Bemerkungen: PostFinance-Topskorer Danielsson; Giroux. Rapperswil-Jona ohne Punnenovs, Valentin Lüthi, Friedli, Frei, Obrist, Neukom, Sven Berger, Thibaudeau (alle verletzt), Persson (krank), Rapuzzi und Penker. Ambrì-Piotta ohne Poudrier, Forget, Masalskis, O’Byrne (überzählige Ausländer), Grassi und Fuchs (beide verletzt). – 10. Zurkirchen hält Penalty von Kuonen. – Murray nach erstem Drittel verletzt ausgeschieden. Timeout Ambri (59:29). – Ambri von 59:21 bis 60:00 ohne Goalie.
Rapperswil-Jona Lakers: Wolf; Walser, Fröhlicher; Fransson, Blatter; Hächler, Profico; Geyer; Danielsson, Johansson, Nils Berger; Kuonen, Walsky, Murray; Ryser, Hürlimann, Schommer; Rizzello, Flavio Schmutz, Pedretti; Sieber.
Ambrì-Piotta: Zurkirchen; Gautschi, Zgraggen; Birbaum, Bouillon; Trunz, Sidler; Grieder, Chavaillaz; Steiner, Hall, Lauper; Pestoni, Aucoin, Giroux; Stucki, Fabian Lüthi, Bianchi; Duca, Schlagenhauf, Dostoinow.

24. März 2015 – Spiel 4

Rapperswil-Jona Lakers – Ambrì-Piotta 0:4 (0:3, 0:1, 0:0)
Diners-Club-Arena. – 4’323 Zuschauer. – SR Eichmann/Wehrli; Bürgi/Kohler. – Tore: 6. Aucoin (Pestoni) 0:1. 14. Pestoni (Aucoin) 0:2. 15. Stucki 0:3. 30. Dostoinow (Schlagenhauf, Zgraggen /Ausschlüsse Hächler, Pestoni) 0:4. – Strafen: Rapperswil-Jona 4-mal 2 Minuten, Ambrì-Piotta 5-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: PostFinance-Topskorer: Danielsson; Giroux. Rapperswil-Jona ohne Punnenovs, Valentin Lüthi, Friedli, Frei, Neukom, Sven Berger, Thibaudeau, Jordan Murray (alle verletzt), Johansson, Rapuzzi und Penker (überzählige Ausländer), Sataric, Nils Berger. Ambri-Piotta ohne Bouillon, Grassi und Fuchs (alle verletzt), Forget, Masalskis, Poudrier (überzählige Ausländer), Gautschi. – 6. Pfostenschuss Aucoin (Ambri-Piotta). 6. Lattenschuss Duca (Ambri-Piotta). -Timeout Rapperswil-Jona (14:36).
Rapperswil-Jona Lakers: Wolf; Walser, Weisskopf; Fransson, Blatter; Hächler, Profico; Geyer, Fröhlicher; Danielsson, Persson, Sieber; Kuonen, Obrist, Walsky; Ryser, Hürlimann, Schommer; Rizzello, Flavio Schmutz, Pedretti.
Ambrì-Piotta: Zurkirchen; O’Byrne, Zgraggen; Birbaum, Chavaillaz; Trunz, Sidler; Kobach; Steiner, Hall, Lauper; Pestoni, Aucoin, Giroux; Stucki, Fabian Lüthi, Bianchi; Duca, Schlagenhauf, Dostoinow; Lhotak.

Bob Kelly

Tino Celio, damals ETH-Student an der Universität Zürich, hatte im Winter 1953 den Auftrag, den ersten Ausländer der Klubgeschichte am Zürcher Hauptbahnhof abzuholen und über den Gotthard in die Leventina zu bringen. Bob Kelly kam direkt aus Schottland, wo er für die Paisley Pirates in 55 Spielen, 88 Skorerpunkte erzielt-, aber die Playoffs verpasst hat. Für einen Wochenlohn von 400 Franken, schoss Kelly am 29. November 1953, bei der 4:6-Niederlage gegen die Grasshoppers, den ersten NLA-Treffer der Leventiner.

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