Küpfers kanadischer Hockeytraum

Küpfers kanadischer Hockeytraum

Foto: Die Schweizer Fraktion der Parry Sound Islanders, von links Flurin Hobi (77), Claudio Clement (12), Joël Küpfer (22) und Gian-Marco Schumacher (8). (Parry Sound Islanders)

Text von Joël Küpfer aus Parry Sound

Neben den Schweizer NHL-Söldnern und den Nachwuchshoffnungen in den drei höchsten kanadischen Juniorenligen Ontario-Hockey-League, Quebec-Major-Junior-Hockey-League und der Western-Hockey-League, spielen auch zahlreiche junge Schweizer in unbekannteren nordamerikanischen Minor-Leagues. Der 21-jährige Seeländer Joël Küpfer spielt seit diesem Herbst in der «Greater-Metro-Junior-A-Hockey-League» bei den Parry Sound Islanders. Der Flügelstürmer aus Lyss berichtet exklusiv für eishockeyblog über seinen kanadischen Hockeytraum und zieht eine erste Zwischenbilanz.

Die Liga

Die «Greater-Metro-Junior-A-Hockey-League» (GMHL) umfasst 24 Teams im Raum Central Ontario und Quebec, geteilt in eine North- und eine South Division. Die GMHL ist eine von Hockey-Canada unabhängige Entwicklungsliga, die es jungen Eishockeyspielern aus aller Welt ermöglicht, in Kanada Eishockey zu spielen und sich für das College-Hockey aufzudrängen. Innerhalb der North-Division spielen wir 42 Saisonspiele. Ende Februar starten die Playoffs um den Russell-Cup, diese finden bis zum Finalspiel ebenfalls innerhalb der eigenen Division statt.

Mein Team

Unser Team besteht aus den unterschiedlichsten Nationalitäten und Altersstufen. Da der Eigentümer des Teams von tschechischer Herkunft ist, haben wir acht Tschechen in unseren Reihen. Diese sind technisch und läuferisch sehr gut, jedoch hatten sie zu Beginn Mühe sich im Team zu integrieren. Weiter haben wir vier finnische Mitspieler, diese sind alle grossgewachsen und wirken läuferisch eher langsam, sind dafür aber mit einer sensationellen Schusstechnik ausgestattet.

So erstaunt es nicht, dass mit Valtteri Mäkiviinikka und Benjamin Linna gleich zwei unserer finnischen «Sniper» unter den Topskorern der Liga zu finden sind. Zudem stehen fünf Amerikaner und ein Kanadier im Kader. Die Nordamerikaner besitzen alle ein eigenes Auto und chauffieren uns täglich zu den Eistrainings oder zum Einkaufen. Um unser Team zu komplettieren sind da noch vier Schweizer, drei Jungs aus dem schönen Graubünden und ich, der liebevoll genannte «Bärner Gigu.»

der liebevoll genannte «Bärner Gigu»

Joël Küpfer

Ein sehr vielfältiges Ensemble mit vielen interessanten und guten Persönlichkeiten. Wir haben ein talentiertes Team mit vielen guten Spielern, was für ein gutes Trainingsklima sorgt. Mittlerweile sind wir auch als Mannschaft näher zusammengewachsen, können und müssen aber im Hinblick auf die Playoffs sicherlich noch weiter daran arbeiten.

Start im September

Über den Schweizer Torhüter Léon-Rouven Marty, der letztes Jahr in der GMHL bei den Kingsville Kings gespielt hat, wurde ich auf die Parry Sound Islanders aufmerksam. Im Frühjahr 2016 habe ich mich dann entschieden, mein Studium in Fribourg für ein Jahr zu unterbrechen um nach Kanada zu reisen und dort den Traum eines jeden Hockeyspielers zu leben. Gemeinsam mit meinen drei Schweizer Teamkollegen Claudio Clement, Furin Hobi und Gian-Marco Schumacher (alle vom HC Prättigau-Herrschaft), haben wir am 5. September 2016 die Reise nach Toronto in Angriff genommen.

Zwischenbilanz

Nach einem einwöchigen Trainingscamp hat die Saison bereits begonnen. Mit zwei Kantersiegen (13:1 und 11:0) gegen die Rivalen aus Seguin (Huskies), die im selben Resort wohnen wie wir, konnten wir die Saison wunschgemäss starten. Beim «Christmas-Break» liegen wir mit 24 Siegen und 5 Niederlagen auf dem 2. Rang der North-Division. Wir befinden uns auf dem richtigen Weg, jedoch ist die Liga in letzter Zeit ausgeglichener geworden. Alle Teams werden im Verlaufe der Saison mit weiteren Spielern ergänzt und verstärkt.

Die New Tecumseth Civics, der Leader unserer Division (fünf Punkte vor Parry Sound) hat mit Michael Giugovaz einen Torhüter geholt, der zuvor vier Jahre in der OHL gespielt hat. Gerüchte besagen, dass ihm die Civics sogar ein gutes Salär bezahlen. Normalerweise berappt ein Spieler der GMHL seine Unkosten um in dieser Liga spielen zu können. Trotzdem haben wir das Zeug dazu im Kampf um den Russell-Cup ein Wörtchen mitzureden, der Weg bis zum Final-Einzug ist allerdings noch sehr weit und alles andere als einfach.

Das Grand-Tappattoo-Resort

Unser Team, sowie die Mannschaft aus Seguin wohnen in einem Ferienresort, welches 15 Minuten ausserhalb von Parry Sound am Otter Lake liegt. Da das Resort im Winter nur wenig Gäste beherbergt, können gleich zwei Eishockeyteams in den Hotelzimmern und Cottages untergebracht werden. Wir werden dreimal täglich verpflegt und die Zimmer werden zweimal wöchentlich gereinigt. Ich würde es aber bevorzugen, wenn wir etwas selbständiger sein könnten und eine eigene Küche zur Verfügung hätten, aber beklagen will ich mich keinesfalls.

Das Hotel liegt zwar abseits der Stadt, mit dem direkten Zugang zum Otter Lake ist es aber sehr schön gelegen. Das Resort bietet neben einem Fitnessraum, Hallenbad und Sauna auch einen Tischtennis-Raum, wo wir – wenn es die Zeit erlaubt – unsere internen Turniere veranstalten. Als es noch etwas wärmer war konnten wir mit den Kanus die wunderschöne Landschaft vom See aus bestaunen, mit dem Wintereinbruch soll in wenigen Wochen auf dem gefrorenen See ein Hockey-Rink entstehen.

Der GMHL-Alltag

Ein normaler Tag beginnt für uns, je nach Wochentag, meistens zwischen 7 Uhr 30 und 9 Uhr 30, mit dem Frühstück. Anschliessend begeben wir uns zum Bobby-Orr-Community-Centre in Parry Sound, (Anm. der Red. Parry Sound ist die Heimatstadt der NHL-Legende Bobby Orr) unserem Heimstadion, wo wir täglich ein anderthalbstündiges Eistraining absolvieren. Der zweite Programmpunkt ist ein «Off-Ice» Training in der lokalen YMCA (Young-Men’s-Christian-Association), eine Art öffentliche Turnhalle, zur Spinning Class (ein relativ hartes Workout auf dem Fahrrad) oder wir haben gemeinsame Lifts im Fitnessraum des Hotels.

Nach einem intensiven Wochenende kommt es auch mal vor dass wir an einem «Competition-Tuesday» ein Eistraining mit vielen kleinen Spielen absolvieren und in der anschliessenden YMCA-Stunde Fussball oder Basketball spielen. Einmal pro Woche, meistens Donnerstags, treffen wir uns zum Videostudium. Dort zeigt uns Coach Doug Raymond diverse Situationen aus den vergangenen Spielen. Weiter studieren wir das Spiel der nächsten Gegner, vor allem in Power- und Boxplaysituationen. Den Rest des Tages haben wir dann meistens zu unserer freien Verfügung. Einmal täglich findet noch eine Englischlektion statt, die allerdings eher für die Tschechen und Finnen, die kaum englisch sprechen, hilfreich ist.

Während des Spiels haben wir neben unseren zwei Coaches einen «Gator» und einen «Dakota»

Joël Küpfer

An Spieltagen haben wir kein grosses Programm und viel Zeit für individuelle Vorbereitungen. Ich setze mich vor den Spielen jeweils für ca. 20 Minuten aufs Fahrrad, um mich ein wenig aufzulockern. Während des Spiels haben wir neben unseren zwei Coaches einen Betreuer, «Gator» und einen kleinen Jungen namens «Dakota», welche uns begleiten. Da in Parry Sound leider kein Busunternehmen existiert, reisen wir an die Auswärtsspiele mit einem Schulbus. Daher sind die Fahrten sind sehr lang und definitiv alles andere als komfortabel.

Nach dem letzten Spieltag der Woche haben wir jeweils ein «Off-Day», ein trainingsfreier Tag, den wir individuell gestalten können. Im September haben wir beispielsweise einige Spiele des World-Cup-of-Hockey in Toronto- und ein Baseball-Playoffspiel der Toronto Blue Jays besucht. Andere Ausflugsziele für Shopping, Eat&Drink oder um ein bisschen Spass zu haben sind Barrie, Vaughn und natürlich Toronto.

Nun stehen wir im «Christmas-Break», die kommenden zwei Wochen werde ich gemeinsam mit den drei Bündnern in Montreal, wir besuchen das NHL-Spiel zwischen den Montreal Canadiens und Nino Niederreiters Minnesota Wild, sowie in Toronto verbringen. Es war bis anhin eine sehr anstrengende und intensive Zeit und da werden zwei «hockeyfreie» Wochen bestimmt nicht schaden, dennoch geniesse ich meinen kanadischen Hockeytraum in vollen Zügen.

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