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Einst bei den Briten

Sheffields Tony Hand auf dem Cover der Ice Hockey-News-Review im März 1996. (Krein)

Wenn du 1993 etwas über das britische Eishockey wissen wolltest, musstest du schon einige Anstrengungen in Kauf nehmen. Die Briten haben mich im Frühling 1993 erstmals verblüfft, nicht die favorisierten Polen und auch nicht die Niederländer standen zuoberst auf dem Podest der B-Weltmeisterschaft in Eindhoven, nein der Aufsteiger aus der C-Gruppe: Grossbritannien. Wie war das möglich? Drei Jahre zuvor spielten die Briten noch in der D-Gruppe gegen Australien und Spanien, nun ersetzen die Männer von der Insel an der nächsten Weltmeisterschaft in Italien die Schweiz, welche den Gang in die B-Gruppe antreten musste.

Ab diesem Tag wollte ich alles über das britische Eishockey wissen, was man wissen muss. «Ich weiss alles was man übers Shrimpgeschäft wissen muss», sagte eine berühmte Filmfigur. 1993 beschränkten sich diese Informationen lediglich auf den jährlich erscheinenden «Eishockey Almanach», dort gabs neben den Statistiken der siegreichen britischen B-WM noch drei Seiten über die Britische Heineken-League Premier-Division und das wars. Die klingenden Teamnamen wie Cardiff Devils, Murrayfield Racers oder Whitley Warriors erweckten die wunderbarsten Vorstellungen wie diese Mannschaften in den geilsten Trikots der Welt in vollen Stadien einlaufen würden.

Abeuteuer

Die NHL war bekannt aber die Britische Liga kannte keiner. Geweckt wurde dabei auch das Abenteuer- und Entdecker-Gen wie einst bei den alten Seefahrern, die Lust Unbekanntes zu entdecken wurde erstmals richtig erweckt. So blieb, neben dem Aufritt der Briten an der A-WM 1994 in Italien, der jährlich erscheinende Almanach aus dem deutschen Copress-Verlag die einzige Quelle, Internet gab es noch nicht, über die Briten. Erst 1996 kam der Lichtblick in Form unserer Eishockey-Abschlussreise nach London.

Mit dem Lysser Juniorenteam ging es in die Britische- und englische Hauptstadt, endlich werde ich mehr über das faszinierende Eishockey auf der Insel erfahren. «Skate-Attack» hiess das Ziel in London. Am zweiten Tag, am 16. März 1996, hatten wir einen Vormittag zur freien Verfügung und da formierte sich eine kleine Gruppe, welche sich meinem Vorhaben anschloss, den Hockeyshop im Stadtteil Kentish-Town aufzusuchen. Was für ein Abenteuer für eine Handvoll 18-jährige Lysser, welche noch nie zuvor in einer Weltstadt abgestiegen sind. Ausgerüstet mit einer Adresse und einem Londoner Stadtplan mit U-Bahn-Netz, ging es auf der schwarzen U-Bahn-Linie, der «Northern-Line», Richtung Norden.

Skate-Attack

Um halb elf irrten ein paar Jugendliche – soeben der U-Bahn-Station in Kentish-Town entstiegen, durch die «Highgate Road», welche sich über anderthalb Kilometer durch eine Reihe von Sichtbackstein-Häusern erstreckte – und fanden bei Hausnummer 95 das „gelb“ beschriftete Ziel «Skate-Attack.» Für mich war es vielleicht das Tor zu all meinen Fragen über das britische Eishockey welche sich hier beantworten lassen würden. Ein «Wow-Effekt» muss es gewesen sein, denn bereits beim Betreten des Stores fielen mir die ersten Britischen Jerseys ins Auge.

Zwei englische Nationaltrikots, ein Dress der Basingstoke Beavers, zwei britische Bücher «The Ice Hockey Annual» und zwei Magazine der «Ice-Hockey-News-Review» gingen um 11 Uhr 11 für gerade mal 44 Pfund 45 über den Ladentisch. Damit hatte ich alle britischen Jerseys welche es zu kaufen gab gekauft, dies waren gerade mal drei, ein Jersey der Cardiff Devils oder der Sheffield Steelers standen noch zuoberst auf der Wunschliste, aber immerhin.

Wembley

Mit einem guten Gefühl stand um 13 Uhr 15 mit «Wembley» das nächste Highlight auf dem Programm. Wembley war damals eben nicht nur ein Fussball-Heiligtum, sondern auch Hauptschauplatz der Finalspiele um die «Heineken-Championship». Zwei Wochen später und wir wären mittendrin gewesen, bei der Entscheidung der britischen Meisterschaft mit den besten vier Playoff-Teams. 25’372 Fans sahen die drei Spiele mit den Sheffield Steelers, Durham Wasps, Humberside Seahawks und Nottingham Panthers. Die Steelers um Tony Hand, den besten britischen Spieler aller Zeiten, holten vor 8’961 Fans in Wembley ihren zweiten Titel in Serie.