Für den Hockey-Affinen ist die Champions-Hockey-League die höchste Königsklasse, wenn also jemand über die «Champions-League» spricht, denkt der Hockey-Affine an die schnellste Mannschaftssport der Welt, nicht an das theatralische Spiel auf dem Grün. Dennoch hinkt das europäsiche Eis-Produkt dem Rasen-Produkt über Jahre hinterher. In den 90er Jahren hat man von einer heutigen Ausgabe geträumt, ein Wettbewerb mit 32 Mannschaften, welcher sich nun schon seit acht Jahren auf der europäischen Bühne etabliert, ist bereits ein grosser Erfolg. Drei Vorläufer (EHL, ECC und CHL) sind alle spätestens innert vier Jahren gescheitert. Die Längste Epoche schreibt immer noch der altehrwürdige Europa-Cup, welcher zwischen 1965 und 1996, 32-mal ausgetragen wird.
Im jüngsten Kapitel, rund 15 Minuten vor Spielbeginn zwischen dem EV Zug und Turku PS (Pallo-Seura), durchdringt eine englische Frage, die in Gedanken vertiefte Spielvorbereitung an meinem Kommentatoren-Platz: «Where can i find a line-up», fragt ein freundlicher, älterer Herr. Sofort ist klar, dieser Mann hat mit dem heutigen Gast aus Finnland zu tun. Glücklicherweise hat mir Aufnahmeleiter Marin Keller, auch ein «Champions-League-Affiner», eine Viertelstunde vorher ein zweites Line-up vorbei gebracht, ich hatte mir bereits eines im Presseraum besorgt. So habe ich eines für den älteren freundlichen Herrn, welcher mir dafür sehr dankbar ist. Natürlich frage ich ihn um seine Herkunft, wobei er mir erklärt, dass er nicht wegen Turku hier sei, sondern als neutraler Scout aus der National-Hockey-League.
Die Legende
«Jää für welches Team er denn scoute» entgegne ich ihm, für die New York Rangers, sagt er. Je mehr wir uns austauschen umso interessanter wird’s. Als er mir seinen Namen verrät, erhebe ich mich aus meinem Kommentatoren-Stuhl und begrüsse den Herrn mit Handdruck. Herr Ari Vuori steht neben mir, Ari Vuori! Sofort läuft in meinem Hockey-Hirn das Finalspiel um den Europa-Cup 1993, zwischen Dynamo Moskau und Turku, mit Ari Vuori. Alle Bilder rauschen vor dem inneren Auge vorbei. Ein paar Sequenzen und dazugehörige Namen gebe ich dem Scout der Rangers wieder. Erstaunt beginnen auch seine Augen zu funkeln, «Yes thats a long time ago, it seems you are for a long time in that Business.»
Vuoris Business ist seit 26 Jahren das Scouting, für die Los Angeles Kings, die Detroit Red Wings und zuletzt die Toronto Maple Leafs, diesen Sommer wechselt der ehemalige Sport-Manager von TPS von den Maple Leafs in die Organisation der Rangers. Als Aktiver holt Vuori vier finnische Meistertiel mit dem heutigen Gegner der Zuger, dazu kommt der Europa-Cup-Titel 1993.
Talent- und Meisterschmiede
Diese glorreichen Zeiten sind beim elffachen finnischen Meister seit 2010 vorbei, damals noch unter Sportchef Vuori. Zuletzt steht TPS zweimal in Folge im Endspiel um die Kanada-Malja, der Trophäe um die finnische Meisterschaft. Der jährliche Aderlass an Talenten macht sich beim Vergleich mit Schweizermeister Zug bemerkbar. Zwölf Spieler müssen aktuell ersetzt werden, darunter gehen mit Markus Nurmi, Juuso Pärssinen (beide Nashville Predators) und Number-One-Draft Juraj Slafkovsky (Montreal Canadiens) drei in die NHL. Auch die Rangers und Scout Vuori dürfen sich auf ihre Prospects Nico Gross (Zug) und Kalle Väisänen (Turku) freuen und Turkus nächster «Slafkovsky» steht mit dem 16-jährigen Verteidiger Aron Kiviharju schon bereit.
Für einen Gala-Auftritt sorgt aber nicht die finnische Talentschmiede, sondern die schweizerische Meisterschmiede, das 6:1 ist der höchste Sieg einer Schweizer Klub-Mannschaft gegen den finnischen Top-Klub aus Turku. Im zehnten europäischen Pflichtspiel, seit der Gründung aller europäischen Wettbewerbe (siehe Kasten), verliert der finnische Vizemeister erst zum vierten Mal, davon gleich zweimal innert einer Woche gegen den Schweizermeister. In dieser Form sind die Zuger auf bestem Weg in die Fussstapfen Turkus, welche schon drei Europäische Titel auf ihrem Konto haben, zu treten.
10. September 2022, 19 Uhr 45 – 4. Runde
Zug – Turku 6:1 (1:0, 1:0, 4:1)
Bossard Arena. – 3’853 Zuschauer. – SR Jobbagy (Slk) /Lemelin, Altmann /Duc. – Tore: 7. Martschini (O’Neill, Kovar) 1:0. 21. Cehlarik (O’Neill) 2:0. 41. Hansson (Martschini) 3:0. 48. Herzog (Senteler, Zehnder) 4:0. 51. O’Neill (Hansson, Gross) 5:0. 52. Hofmann (Kovar, Senteler /Ausschluss Pyyhtiä) 6:0. 57. Rech (Intonen /Ausschluss Senteler) 6:1. – Strafen: Zug 5-mal 2 Minuten, Turku 4-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: Zug ohne Allenspach (überzählig) und Suri (verletzt). Turku ohne Arell, Koskinen, Marjala und Skalicky.
Zug: Hollenstein (Genoni); Geisser, Djoos; Hansson, Gross; Schlumpf (2), Kreis; Wüthrich, Vogel; Simion, Kovar, Hofmann (2); Zehnder, Senteler (2), Herzog; Martschini, O’Neill, Cehlarik (4); Klingberg, Leuenberger, De Nisco.
Turku: Anttila (Lehtinen); Tuomisto (2), Kivihalme; Rafkin, Anttalainen; Suomi, Pulli; Kiviharju; Kantola (2), Intonen, Pyyhtiä (2); Kosmachuk (2), Ilomäki, Rech; Tammela, Munkki, Steenbergen; Haapanen, Jasu, Korpikoski; Väisänen.
Europa-Cup-Bilanz Turku vs Schweiz
Datum | Ort | Spiel |
19.9.1977 | Langnau | Langnau 3:3 |
20.9.1977 | Olten | Langnau 10:3 |
18.11.1989 | Bern | Bern 4:1 |
27.12.1990 | Düsseldorf | Lugano 5:4 |
11.11.1995 | Kloten | Kloten 2:3 |
6.2.2000 | Lugano | Lugano 6:1 |
29.8.2017 | Bern | Bern 0:4 |
31.8.2017 | Turku | Bern 3:1 |
4.9.2022 | Turku | Zug 0:4 |
10.9.2022 | Zug | Zug 1:6 |