Die Autofahrt Bern-Zürich auf der A1 dauert nun einfach zwei bis zweieinhalb Stunden. Zwei Stunden muss man mindestens kalkulieren sonst reichts nicht. Und an besagtem Mittwoch ist noch nicht einmal Freitag-Abend-Verkehr, es ist ein gewöhnlicher Wochentag. Gewöhnlich? Vielleicht doch nicht, denn ich komme unter starkem Schnellfall erst um 19 Uhr in Zürich-Leutschenbach an, dort muss ich noch ein Codec-Gerät holen, mit welchem ich ab 19 Uhr 30 direkt aus dem Hallenstadion berichten soll. Zeitgleich, 500 Meter neben dem SF-Hauptgebäude findet im Hallenstadion bereits die Pressekonferenz statt, ohne mich. Schliesslich treffe ich zehn Minuten später an besagter Spielstätte ein, alles wird mit Hilfe eines deutschen Technikers noch installiert.
Die Partie, für mich ein Knüller, kann beginnen. Eine Affiche der Champions-Hockey-League zwischen dem Schweizermeister und dem Tschechischen-Meister HC Slavia Prag lässt mein Herz ohnehin schon höher schlagen. Wenn man die beiden Teams vergleicht, haben die Zürcher Akteure beispielsweise 602 Spiele in der NHL bestritten, die Prager deren 956 (alleine Kapitän Josef Beranek bestritt 588 Partien). Vier NHL-Drafts bei Zürich stehen zwölf “Draftpicks” im Kader Slavias gegenüber, was noch nichts heissen mag.
„Ich weiss nicht ob es an diesem Abend einen neuen Weltrekord gegeben hat.“
— über die vier erfolgreichen Penaltys von Jaroslav Bednar (Krein)
So wie der Verkehr Richtung Zürich nicht für mich zu laufen schien, schien die Hartgummischeibe nicht für die Zürcher zu laufen. Dennoch bin ich rechtzeitig auf meiner Kommentatoren-Position. Übrigens sitzen neben mir der CHL-Livestream-Kommentator und Co-Kommentator Doug Honegger. Die Tschechen liegen bei 58:10 noch mit 4:2 in Führung, ehe die Zürcher, durch Mathias Seger und Ryan Gardner, innert 18 Sekunden zum 4:4 ausgleichen. Sowas habe ich von einer Schweizer-Mannschaft noch nie gesehen, eindrücklich und unglaublich wie die ZSC Lions zurück gekommen sind, doch dies ist noch nicht der Höhepunkt.
Bednar gegen Alston
Beim Penaltyschiessen treffen unter den ersten drei Schützen nur Jaroslav Bednar (für Prag) und Teamoldie Jan Alston (für die Lions). Von nun treten nur noch Bednar und Alston gegeneinander an, und wie sie dies tun! Bednar wird zum Helden des Abends, der Prager bezwingt Zett-Hüter Ari Sulander noch weitere dreimal in Folge! Die Rolle des tragischen Helden geht an Alston, aber auch er ist sensationell und läuft noch drei weitere Male gegen Prag-Keeper Adam Svoboda an, doch beim letzten Versuch scheitert er. Ich weiss nicht ob an diesem Abend gerade ein Weltrekord stattgefunden hat. Hat schon jemals ein Spieler vier Penaltys hintereinander im selben Spiel versenkt? Eines werde ich jedenfalls nie mehr vergessen, den Namen Jaroslav Bednar.
Sean Simpson sagt am Schluss, «Hey Lyss!» damit meint er mich, «ich bin ein Fan von Europäischen Vergleichen, meine Spieler wollen sich mit den besten Teams Europas messen und nehmen diese Sache sehr ernst», so Simpson weiter. Weiter begebe auch ich mich – auf die lange und beschwerliche Reise zurück ins Berner Seeland. Lange und beschwerlich, weil es schneit (im Oktober) wie im Hochwinter und weil ich mit Sommerpneus unterwegs bin. Doch auch ich bin zurückgekommen, so wie die Zürcher gegen Prag.
29. Oktober 2008
ZSC Lions – HC Slavia Prag 4:5nP (0:1, 1:1, 3:2, 0:1)
Hallenstadion. – 8’220 Zuschauer. – SR Boman /Levonen, Seppälä /Suoraniemi (alle Fi). – Tore: 11. Micka (Jelinek) 0:1. 27. Seger (Wichser, Sejna /Ausschluss Kolarik) 1:1. 39. Bednar (Ruzicka) 1:2. 44. Dolezal (Bednar /Ausschluss Novak!) 1:3. 45. Forster (Trudel, Alston /Ausschluss Novak) 2:3. 53. Sklenar (Vondrka) 2:4. 59. (58:11) Seger (Wichser /Ausschluss Kolarik) 3:4. 59. (58:29) Gardner (Wichser, Sejna) 4:4. – Penaltyschiessen: Sejna -. Bednar 0:1. Trudel -. Sloboda -. Alston 1:1. Vondrka -. Bednar 1:2. Alston 2:2. Bednar 2:3. Alston 3:3. Bednar 3:4. Alston -. – Strafen: ZSC Lions 4-mal 2 Minuten, Slavia Prag 8-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: ZSC Lions ohne Blindenbacher, Stoffel, Kamber (alle verletzt). 8. Pfostenschuss Trudel. 48. Pfostenschuss Beranek. Zwei ZSC Lions Tore annulliert. Torschüsse: 30:23 (11:4, 8:12, 11:6).
ZSC Lions: Sulander; Seger, Forster; Pittis, Trudel (2), Down (2); Suchy, Gloor; Sejna, Gardner (2), Wichser; Geering, Schnyder, Monnet; Bühler, Bastl, Schoop; Cadonau; Grauwiler, Alston, Krutow (2).
Slavia Prag: Svoboda; Kadlec, Drtina; Beranek, Vondrka (4), Hruska; Vasicek (2), Novak (2); Cervenka (2), Tomica, Bednar; Zizka, Kolarik (6); Kraft, Micka, Sklenar; Jebavy, Sloboda; Ruzicka, Jelinek, Dolezal.