Jäähalli und Teatteri

Helsinki, wie viel haben wir alle schon davon gehört oder darüber gelesen, wer sich mit Eishockey befasst kommt eher früher als später mit der finnischen Hauptstadt in Kontakt. Eher früh sehe ich im Frühling 1991 die ersten Weltmeisterschaftsspiele aus der Helsingin Jäähalli am TV. Früh fasziniert auch der neue finnische Meister im Europa-Cup Halbfinal 1992, wieder in der Jäähalli und wieder am TV, gegen den Schweizermeister SC Bern. Jokerit prägt das europäische Eishockey gegen Ende der 90er Jahre und verzückt mit seinen violett-türkis-weissen Jerseys quer durch den Kontinent. Eher spät gehts in eigener Sache an die Weltmeisterschaft 2022, endlich in die achtfache WM-Stadt Helsinki.

Die Hartwall Arena steht während der WM 2022 im «russischen Abseits,» im Abseits steht auch das grüne E-Trotti von «Tier.» (Krein)

Spielort ist, aus bekannten Gründen, erstmals seit 1997 nicht mehr Helsinkis Prunkstück Hartwall Arena. Jokerits Heimstätte liegt etwas ausserhalb und ist per E-Trottinett innert 30 Minuten vom Stadtzentrum zu erreichen, zu meinen Erschrecken liegt die Arena schon ausserhalb des Geschäftsbereichs meines Trottinett-Anbieters «Tier», ob ich je wieder zurückkehren kann? Zweifellos wäre dies der perfekte Austragungsort für die erstmaligen Spiele nach der Pandemie. Auf halbem Weg, gleich beim Olympischen Park liegt die altehrwürdige Jäähalli. Geschichtlich gehts hier per Zeitreise in ruhmreiche Zeiten des WM-Kults. Bei der WM 1974 gabs hier den Volvo-Skandal – die Schweden sind mit unerlaubter Werbung ihres Autoherstellers eingelaufen – bei der WM 1982 spielte Wayne Gretzky sein einziges Mal mit Kanada an den Weltmeisterschaften und 1991 ging hier die letzte WM mit Acht Teams über die Bühne. Trotz unerlaubter Entfernung mit meinem Tier-Gefährt komme ich ohne Panne für 12 Euro 66 wieder ins Stadtzentrum zurück.

Ambühl löst Kiessling ab

Zurück kehrt auch die Jäähalli, am 21. Mai 2022, ins internationale Rampenlicht. Der Kreis der Jäähalli, am Nordenskiöldinkatu 11-13, schliesst sich mit einem internationalen Meilenstein, Andres Ambühl löst den ewigen Rekordspieler Udo Kiessling ab und dies in der gleichen Spielstätte wo die deutsche Legende Acht von seinen 119 WM-Partien absolviert hat. 1991 hat Kiessling in Helsinki sein letzten WM-Turnier gespielt. Die Jäähalli, so scheint es, ist für Ambühls Rekord die richtige Bühne. Ambühl holt hier nämlich bei seinem ersten Auftritt, am 22. März 2001 mit der U18-Nationalmannschaft die WM-Silbermedaille (2:6 Final-Niederlage gegen Russland). Später spielt Ambühl an der WM 2012 in der erwähnten Hartwall-Arena nochmals in Helsinki. Am 22. September 2015 verliert Ambühl mit dem HC Davos in der Jäähalli gegen IFK, mit Headcoach Antti Törmänen, im Champions-Hockey-League 16-Final mit 1:2.

Ambühls 120. WM-Partie gegen Weltmeister Kanada bietet Hochspannung und Spektakel, da ist alles drin was das Hockey-Herz begehrt und die alternde, zu Ambühl passende Spielstätte wird zur Nebensache. Neben dem Rekordspieler sind es die Schweizer Ausnahmekönner aus Übersee welche «ohne jeden Zweifel erhaben sind», wie es ein bekannter Deutscher Entertainer sagen würde. Die Mannschaft beeindruckt mit einer schon fast unheimlichem Geschlossenheit. Das hohe Tempo wird durch die steile Tribüne und durch das schmalere Eisfeld noch verstärkt, dieses Team von Patrick Fischer hat alles was es braucht um ganz vorne mitzuspielen.

Klassentreffen Teatteri

Ganz vorne mit spielt auch der Schweizer Anhang, die Schweizer Hockeyfans sind die Holländer des Eishockeys, die rot-weisse Welle pflügt sich quer durch die finnische Hauptstadt und ist zu jeder Tageszeit allgegenwärtig. In unserem Hotel (Finn-Hotel), im Herz der abendlichen Herrlichkeit gleich beim Irish-Pub am Kalevankatu, liegt jede Nacht irgend ein abgesoffener Schweizer auf einer Treppe oder im Korridor. Ein anderes Klassentreffen, wie es der SRF-Co-Kommentator passend ausdrückt, findet im Restaurant Teatteri statt. Die Hockeyprominenz um Funktionäre, Fan-Gruppierungen und Spieler gönnt sich dort einen späten Umtrunk. Ja, Spieler sind auch dabei, neben drei Schweizer Akteuren, welche das lokal zu einer anständigen Zeit verlassen, beweisen die Kanadier ihre Trinkfestigkeit. Der 195m Hüne Adam Lowry ist gut gelaunt und nimmt die Gratulation über seinen Treffer (2:1) gegen Leonardo Genoni gerne entgegen. Die weiblichen «Groupies» tummeln sich um den kanadischen Tisch und Supertalent Kent Johnson hat alle Hände voll zu tun.

Erinnerungen an Quebec 2008 werden wach, die Russen waren damals jede Nacht bis in die frühen Morgenstunden unterwegs, am Ende holten sie den Weltmeistertitel. Für die Krimi-Autorin Donna Leon, welcher wir kurz vor unserem Abflug in der Abflughalle zufällig über den weg laufen, würden die Kanadier eine perfekte Rolle für den Helsinki-Krimi abgeben. Als finanzieller Krimi entpuppt sich auch der Bierkonsum, die teuersten Hopfengetränke gehen für 12 Euro 50 pro Bier in der Bankabrechnung ein. Lapin Kulta, Koff (langjähriger IFK-Sponsor), Karhu, Karjala (da gabs auch schon einen Cup) oder Aura heissen die finnischen Aushängeschilder an den Zapfhähnen.

Die Hockeywelt um Kirchler

Wie das Bier zur WM gehören auch die Trottinetts zu Helsinki. Die E-Trottis sind allgegenwärtig und summieren sich im dreistelligen Zahlenbereich jeweils vor den Schweizer Spielen auf dem Gelände der Jäähalli. Die Hockeywelt ist in Helsinki, von den flotten Österreichern aus dem Vorarlberg, über den DEG-Fan – der den Brehmstrasse-Kult noch erlebt hat, über Asconas Kultspieler und heutigem Regio-League Boss, über den treuen Briten im Slough Jets-Jersey bis zu Zürichs aktuellem Sportchef und ehemaligen Presseverantwortlichen. Während des Italien-Spiels kaum zu übersehen ist die gelb-schwarze Fan-Gruppe des HC Pustertal/Val Pusteria, angeführt durch Kult-Mann Patrick Kirchler. Der Brunecker Kirchler begleitet die Azzurris seit 1993 an fast jedes WM-Turnier und gilt als weltbekannte Koryphäe in Sachen Hockeyjerseys.

Selbstverständlich darf auch ein Besuch bei den SRF-Kommentatoren und Berufskollegen Reto Müller und Philippe Furrer nicht fehlen. Auf dem Heimweg nach dem Frankreich-Spiel folgt ein kurzer und höchst kurzweiliger Fussmarsch mit Ralph Krueger. Krueger hat während der WM 1997 seinen Vertrag bei Swiss Ice Hockey in Helsinki unterschrieben und legte damit hier den Grundstein für das heutige Eishockey-Daseins unseres Landes. Helsinki ist zwar nicht Tampere, dennoch unterstreicht die finnische Hauptstadt während dieser WM ihre Wichtigkeit auf der Eishockey-Landkarte und tritt früher oder später mit so manchem in Kontakt.

21. Mai 2022 – 16 Uhr 20 (Ortszeit)

Kanada – Schweiz 3:6 (3:3, 0:1, 0:2)
Jäähalli. – 5 676 Zuschauer (ausverkauft). – SR Heikkinen /Öhlund (Fi/Sd), Davis /Spur (USA/Tsch). – Tore: 12. Johnson (Barzal, Graves) 1:0. 13. Fora (Meier, Kurashev) 1:1. 15. Lowry (Ausschluss Batherson!) 2:1. 16. Kukan (Hischier, Corvi /Ausschluss Batherson) 2:2. 20. (19:03) Batherson (Barzal) 3:2. 20. (19:51) Siegenthaler (Suter, Malgin) 3:3. 27. Hischier (Kukan /Ausschluss Anderson) 3:4. 44. Suter (Malgin, Simion /Strafe angezeigt) 3:5. 59. Meier 3:6 (ins leere Tor). – Strafen: Kanada 4-mal 2 Minuten, Schweiz 2-mal 2 plus 5 Minuten (Meier). – Bemerkungen: Schweiz ohne Marti (verletzt), Miranda und Berra (beide überzählig). – Ambühl für 120. WM-Spiel (Weltrekord) geehrt. – 10. Tor von Hischier wegen Torhüterbehinderung aberkannt. – 38. Lattenschuss Comtois. – Torschüsse: 25:27 (12:13, 7:5, 6:9).
Kanada: Thompson (Driedger); Severson, Sanheim; Whitecloud, Chabot; Holden, Graves; Mayo; Roy, Dubois (4), Cozens; Anderson (2), Lowry, Sillinger; Batherson (2), Barzal, Johnson; Geekie, Mercer, Comtois; O’Dell.
Schweiz: Genoni (Aeschlimann); Kukan, Siegenthaler; Fora (2), Janis Moser; Glauser, Geisser; Egli; Ambühl, Corvi, Herzog; Kurashev, Hischier (2), Meier (5); Simion, Malgin, Suter; Thürkauf, Bertschy, Scherwey; Riat.

In flagranti 1’000

1’000-mal gespielt und 1’000-mal ist was passiert, dies gilt für Jubilar Beat Forster. Die «Eiszeit» des Herisauers beginnt am 16. Januar 2001 und dem Alter von 17 Jahren in der National-League (A). 20 Jahre später lassen die Hockey-Götter oder Willi Vögtlins Raffinesse das 1000-ste Spiel des Biel-Verteidigers auf den HC Davos fallen. 628 seiner 1000 Spiele hat Forster mit dem HCD absolviert und dort spielt ein weiteres Mitglied des 1’000-er Clubs: Andres Ambühl debütiert 2001 einen Monat nach Forster und spielt heute seine 1’090. Partie und liegt hinter Beat Gerber und Mathias Seger auf Rang drei unseres Landes.

In diesen 999 Partien schiesst, «Beat Schiess-Forster» hiess Forster zu Beginn seiner Karriere noch, 20-mal das Game-Winning-Goal, davon einmal in der Overtime. In 13 Spielen fasst der harte Verteidiger eine Spieldauer-Disziplinarstrafe, vor dem Interview der 1’000. Partie sagt Forster, er habe auch alle Drittel seiner Karriere gezählt, dies sind aufgrund seiner Ausschlüsse keine 3’000. In flagranti, was «auf frischer Tat» bedeutet, erwischt es den Jubilar auch in seinem Jubiläumsspiel und muss in der 31. und 32. Minute seine Strafminuten 1’506 und 1’507 absitzen.

In flagranti erwischt es nach der Davoser Niederlage auch den 1’090 Spiele schweren Ambühl, zunächst muss er zum Interview antreten und danach wird er noch auf seine Hockey-Affinität befragt. Ambühl verfolgt das Spielgeschehen nämlich rund um die Welt und wird mit einem australischen Eishockey-Buch für die Heimreise ausgestattet. «Australien wäre noch was», verrät Ambühl, denn sein ehemaliger Teamkollege Andreas Camenzind (2012 in Brisbane und 2019 in Canberra) habe ihm davon erzählt, «doch es sei wohl zu spät für ihn», nie und nimmer, der Dauerbrenner könnte auch mit 50 noch in Australien spielen.

In flagranti zum australischen Hockey-Buch, Andres Ambühl beim Jubiläumsspiel Beat Forsters. (Hervé Chavaillaz)

In flagranti erwischt es nach dem Spiel auch den MySports Kommentator in der Amag-Lounge. «In flagranti» ist die Werbe-Agentur welche für den «coolen» Auftritt der Bieler «Eiszeit» verantwortlich ist, zu seiner eigenen Schande hat er dies noch nicht mitgekriegt, obwohl er einst – vor ca. 1000 Spielen – bei der Lysser Agentur eine Woche verbracht hat. «In flagranti» erwischt es aber auch Agentur-Mitgründer und Geschäftsführer Michael Hählen bei der gegenseitigen Vorstellungsrunde mit dem einstigen Werbe-Kandidaten.

Die kurzweilige Zeit in der Amag-Lounge geht gegen Mitternacht dem Ende zu, die «Eiszeiten» von Forster und Ambühl laufen mindestens noch bis im Frühling 2022 bzw. 2023 – und wer weiss – findet vielleicht dereinst in der australischen AIHL ihre Fortsetzung, wenn die Australier von den alten Schweizern in flagranti erwischt werden.

18. September 20216. Qualifikationsrunde

Biel – Davos 3:0 (0:0, 2:0, 1:0)
Tissot-Arena. – 4’622 Zuschauer. – SR Tscherrig /Hungerbühler, Huguet /Altmann. – Tore: 25. Brunner (Lööv, Jakowenko) 1:0. 35. Sallinen (Rajala, Schneeberger) 2:0. 47. Hügli (Schläpfer, Hischier) 3:0. – Strafen: Biel 7-mal 2 plus 5 Minuten (Rathgeb) plus Spieldauer (Rathgeb) gegen Biel, Davos 7-mal 2 plus 5 Minuten (Jung) plus Spieldauer (Jung). – Bemerkungen: Biel ohne Fey, Haas und Tanner (alle verletzt).
Biel: Van Pottelberghe; Rathgeb (27), Lööv (4); Jakowenko (2), Grossmann; Stampfli, Forster (2); Schneeberger; Brunner (TS), Cunti (2), Künzle; Hügli, Sallinen, Hofer; Hischier, Schläpfer (2), Rajala; Kohler, Froidevaux, Kessler; Karaffa.
Davos: Aeschlimann; Nygren, Zgraggen; Dominik Egli, Wellinger; Heinen, Jung (29); Stoop, Barandun; Stransky, Rasmussen, Bromé; Wieser, Corvi, Ambühl (TS); Frehner, Prassl (2), Knak (2); Simic, Chris Egli (4), Schmutz.

Auf Madame Potins Spuren

Paris und Eishockey? Im Vorfeld der Weltmeisterschaft hält sich die Freude nach Paris zu reisen in Grenzen, nicht nur wegen der Terroranschläge, sondern auch weil in Paris kein WM-Fieber entfacht werden könne oder wie es ZüriWest im Song «Paris» treffend formuliert: «Schiss-Paris». Es ist Sonntag, die Sonne scheint, in der Brasserie Jean Baptiste in Boulogne-Billancourt gibts bereits um 11 Uhr keine Croissants mehr, die Bedienung kommt «tout-de-suite», «sofort» heisst im Pariser Aussenquartier geschlagene 20 Minuten. 1,7 Kilometer entfernt steht die Patinoire de Boulogne-Billancourt, vor rund 60 Jahren ist dies Dreh- und Angelpunkt des französischen und europäischen Eishockeys. Der Athletic-Club Boulogne-Billancourt (ACBB) wird hier im Dezember 1955 vom Pariser Unternehmer Philippe Potin aus der Taufe gehoben.

Die grosse Stadion-Uhr scheint, zu den grossen Zeiten des ACBB’s stehengeblieben. (Krein)

Boulogne-Billancourt

Die Eisbahn, inmitten eines verschlafenen Quartiers erinnert noch heute an die alte Zeit, nur anhand der parkierten Autos bewegt man sich in Gegenwart. Die gut erhaltene und teilweise renovierte Eishalle hat ihren Charme der 50er Jahre nicht verloren, eine Vitrine erinnert an die grossen Erfolge der Vergangenheit, 1959 gastieren mit den Boston Bruins und New York Rangers sogar zwei NHL-Teams. In der gleichen Epoche wird der französische Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur Jacques Tati durch seine Filme über «Monsieur Hulot» weltberühmt. Die Patinoire in Boulogne-Billancourt, 1955 eröffnet, würde den perfekten Drehort für einen seiner Filme abgeben. Es ist als würden Monsieur Hulot und Monsieur Potin, jeden Moment um die Ecke kommen. Es ist heute noch gut vorstellbar, wie es in den 60er Jahren kurz vor Spielbeginn ausgesehen haben könnte, mit Stürmer Elwin Friedrich und Torhüter Jean Ayer würden wir zwei Schweizer-Söldner gegen den HC Chamonix spielen sehen. Friedrich und das frankokanadische Starensemble holt in seiner Blütezeit drei französische Meistertitel und drei Spenglercup-Siege, ehe die legendäre Mäzenin Madame Janine Potin ihre Meistertruppe samt Friedrich nach Villars verlegt.

Am 4. und 5. Mai 1959 gastieren hier die Boston Bruins und die New York Rangers. (Krein)

Spieler ohne Klubs

Paris ist eishockeytechnisch wichtiger als es scheint, ist aber in der Gegenwart tatsächlich in Vergessenheit geraten. In der obersten französischen Spielklasse, der Ligue Magnus, ist seit dem Abstieg des Pariser-Vorortklubs Jets de Viry-Châtillon im Jahr 2001 kein Klub mehr vertreten. Der letzte Pariser Meistertitel der Français-Volants Paris liegt bereits 28 Jahre zurück, die «Flügel» spielen aktuell in der Anonymität der dritthöchsten Spielklasse. Noch tiefer ist der ACBB Paris gefallen, der ehemalige Spitzenclub spielt noch eine Klasse tiefer als die Français-Volants. Im WM-Kader von Coach Dave Henderson stehen immerhin drei Spieler aus der Nachwuchsabteilung von Viry, Stéphane und Teddy Da Costa, sowie Yohann Auvitu, dazu kommen die in Paris geborenen Antonin Manavian und Ronan Quemener, dies sind 20% der «Equipe-Tricolore».

Durch die WM will der französische Verband den Eishockeysport in Paris wieder ankurbeln, doch die Begeisterung hält sich, trotz der guten Auftritte der «les Bleus», in Grenzen, die Zuschauerzahlen sind schlecht, selbst die Spiele Frankreichs (alle als «trois etoiles» Spiele deklariert und somit die teuerste Kategorie) sind nie ausverkauft. Auch der Bierkonsum hat im Stadion keinen Platz und eine alkoholfreie Brühe kostet 10 Euro. Dafür gibts rund ums Stadion an der Rue de Bercy viele «Brasserien», unser* Favorit ist die Brasserie les Spectacles mit dem Zaubertrank «Pelforth Blonde», welches der Schweizer Fan-Delegation, den Holländern des Eishockeys, ausgiebig ausgeschenkt wird.

Ausserhalb von Bercy ist nichts von der WM zu sehen, an einem Schaufenster an der Champs-Élyssés ist eine kleine Werbung zu sehen, welche aber nur den scharfsinnigsten unter den Hockey-Affinen ins Auge sticht. Dabei steht Paris am 15. Mai 1908 im Zentrum des internationalen Eishockeys, an der Rue de Province 34 wird der IIHF als Ligue Internationale de Hockey sur Glace (LIHG) durch die Landesverbände Belgien, Grossbritannien, Schweiz und Frankreich gegründet. Der Französische Verbandspräsident Louis Magnus (nach ihm sind die Liga und der Meisterpokal in Frankreich benannt) ist zugleich erster IIHF-Präsident. Seit 2007 wird der französische Cup-Final in der AccorHotels Arena vor jeweils fünfstelliger Zuschauerkulisse ausgetragen.

„Paris ist eishockeytechnisch wichtiger als es scheint.“

— IIHF-Gründungsdokument von 1908

Eisgenossen und Schweizergardisten

Mit Andres Ambühl als erster Schweizer WM-Torschütze seit des letzten WM-Treffers 1951 durch Ueli Poltera (Arosa), trifft erneut ein Bündner auf Pariser Boden. Die jüngste Schweizer Ausgabe ist auf dem besten Weg in die Fussstapfen ihrer Vorgänger zu treten, welche vor 66 Jahren unter Headcoach Bibi Torriani die Bronze-Medaille nachhause bringen. Die Mannschaft von Patrick Fischer spielt ihre zweitbeste Vorrunde der Neuzeit und steht im Viertelfinal, nur noch beim WM-Silber 2013 war man vor der Endrunde besser klassiert. Nach einem mirakul(ix)ösen (mit Verdacht auf gallischen Zaubertrank) 3:2-Sieg über Kanada, gelingt einen Tag später beinahe (der Zaubertrank hat nachgelassen) noch der erste WM-Sieg über Finnland seit 1972. Eisgenossen und «Schiss-Paris», eine Wort-Kombination welche im «Vocabulaire» des Eishockeys nicht existiert. In diesem Zusammenhang müssen die Eisgenossen wohl mit den Schweizergardisten verwechselt worden sein, welche während der französischen Revolution auf dem heutigen Place de la Concorde mehr als nur Haare lassen mussten. Apropos rollende Köpfe, an der «gallischen» WM müssen ausgerechnet die Römer (Italien) wieder in die Zweitklassigkeit absteigen.

Eindrücke und Erlebnisse von Rolf Pfeiffer und Michael Krein, unterstützt durch Pelforth

Die Telegramme

12. Mai 2017 16 Uhr 15

Tschechien – Slowenien 5:1 (3:0, 1:0, 1:1) Highlights

13. Mai 2017 12 Uhr 15

Norwegen – Finnland 2:3nV (1:0, 0:2, 1:0, 0:1) Highlights

13. Mai 2017 20 Uhr 15

Kanada – Schweiz 2:3nV (2:0, 0:0, 0:2, 0:1) Highlights
Accor-Hotels-Arena. – Zuschauer 12’932. – SR Odins/Salonen (Lett/Fi), Leermaker/Sormunen (Ho/Fi). – Tore: 5. O’Reilly (Marner, Parayko /Ausschluss Hollenstein) 1:0. 7. Marner (Lee, Konecny) 2:0. 47. Herzog (Praplan, Richard /Ausschluss Matheson) 2:1. 50. Praplan (Hollenstein) 2:2. 64. (63:40) Herzog (Untersander, Ambühl) 2:3. – Strafen: Kanada 4-mal 2 Minuten, Schweiz 3-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: Kanada ohne Barrie (verletzt), Schweiz ohne Malgin, Schlumpf und Schlegel (alle überzählig). Pfostenschüsse Simmonds (22./28.). Schüsse: Kanada 45 (16-13-13-3); Schweiz 26 (6-7-12-1).
Kanada: Pickard; Parayko, Vlasic; Demers, De Haan; Lee, Matheson; Morrissey; Marner, Point, Konecny; Duchene, Couturier, Skinner; Simmonds, Giroux, Killorn; MacKinnon, Scheifele, O’Reilly; Schenn.
Schweiz: Hiller (7. Genoni); Furrer, Diaz; Kukan, Untersander; Genazzi, Loeffel; Marti; Suter, Ambühl, Brunner; Hollenstein, Haas, Praplan; Bodenmann, Richard, Herzog; Schäppi, Almond, Rüfenacht; Suri.

14. Mai 2017 16 Uhr 15

Frankreich – Tschechien 2:5 (0:1, 1:2, 1:2) Highlights
Accor-Hotels-Arena. – 13’003 Zuschauer. – SR Gouin/Kubus (Ka/Slk), Otmakhov/Sormunen (Russ/Fi). – Tore: 9. Pastrnak (Horak, Voracek /Ausschluss Meunier) 0:1. 21. S. Da Costa (Fleury /Ausschluss Kempny) 1:1. 27. Repik (Kundratek) 1:2. 38. Rutta (Cervenka/Ausschluss S. Da Costa) 1:3. 49. Repik (Kempny) 1:4. 51. Roussel 2:4. 59. Zohorna (Horak/ins leere Tor) 2:5. – Strafen: Frankreich 3-mal 2 Minuten, Tschechien 7-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: Frankreich ohne Douay (überzählig).
Frankreich: Hardy; Auvitu, Hecquefeuille; Manavian, Besch;
Dame-Malka (2), Janil; Raux; Roussel, Bellemare, Stéphane Da Costa (2); Sacha Treille, Teddy Da Costa, Fleury; Lampérier, Meunier (2), Perret; Rech, Ritz, Claireaux.
Tschechien: Francouz; Simek, Gudas; Jerabek, Krejcik; Kempny (4), Rutta; Kundratek; Sobotka (4), Plekanec, Voracek; Cervenka (4), Kovar, Pastrnak; Birner, Vrana, Repik (2); Horak, Hanzl, Zohorna; Radil.

14. Mai 2017 20 Uhr 15

Schweiz – Finnland 2:3nV (2:1, 0:0, 0:1, 0:1) Highlights
Accor-Hotels-Arena. – 10’860 Zuschauer. – SR Gofman/Öhlund (Russ/Sd), Dedjulja/Suchanek (WRuss/Tsch). – Tore: 5. Herzog (Richard, Untersander) 1:0. 11. Genazzi (Loeffel) 2:0. 20. Hietanen (Savinainen, Aho /Ausschluss Ambühl) 2:1. 48. Rantanen (Ville Lajunen, Aho /Ausschluss Diaz) 2:2. 63. Filppula (Savinainen, Hietanen) 2:3. – Strafen: Schweiz 5-mal 2 plus 10 Minuten (Ambühl), Finnland 6-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: Schweiz ohne Hiller (angeschlagen) Schlumpf, Brunner (beide überzählig). Furrer zu Beginn des zweiten Drittels ausgeschieden. – 62. Pfostenschuss Rantanen. – Schweiz 27 (13-8-6-0); Finnland 27 (4-13-9-1).
Schweiz: Genoni; Diaz, Furrer; Untersander, Kukan; Loeffel, Genazzi; Marti; Praplan, Haas, Hollenstein; Rüfenacht, Almond, Schäppi; Ambühl, Malgin, Suter; Herzog, Richard, Bodenmann; Suri.
Finnland: Korpisalo (11. Säteri); Honka, Ohtamaa; Jaakola, Ville Lajunen; Hietanen, Lehtonen; Kukkonen, Järvinen; Hännikäinen, Jani Lajunen, Osala; Aho, Filppula, Rantanen; Pyörälä, Kemppainen, Aaltonen; Pihlström, Sallinen, Savinainen.

Wenn der Slogan verwirrt

Beschwerlich ist sie manchmal, die Anreise ins bündnerische Landwassertal, an einem Freitag dauert sie geschlagene vier Stunden. Meistens bleibt da auch keine Zeit für einen Zwischenhalt und wenn du in Davos einfährst hast du Hunger und bist Müde, verschwitzt, hast Durst und musst auf die Toilette, doch eigentlich solltest du in voller Frische deinen Arbeitstag starten. Dies geschieht dann auch, nach abarbeitung der Aufzählung bei der Einfahrt.

Nach der Auffrischung führt der Gang zum Davoser Medienraum entweder durch den inneren Teil der Kathedrale, vorbei vor der Davoser-Fankurve, welche sich schon eine Stunde vor Spielbeginn weit in bierlagigem Zustand befindet oder den Weg aussen um die «Eissporthalle», um dann nochmals das Presseticket vorzuweisen.

Im Davoser Medienraum angekommen hängt das Plakat «DAVOS HOCKEY ZUHAUSE IST.» Was ist denn dass für ein Satz? Germanismen mit Mundart gekreuzt. Eigentlich noch ein cooler Slogan mit coolem Wortspiel, doch warum in zwei Sprachen? «Da vos Hockey dahei isch.» Der Deutsche wird den Slogan zu Beginn nicht verstehen und der Schweizer versteht die durchmischung der Sprachen nicht.

«Zuhause ist» Davos an diesem Abend gegen die ZSC Lions der Verlierer. Zu «Reden-» gibt nicht nur das Werbeplakat, sondern HCD-Neuzugang «bach», oder eben Tyler Redenbach. Reden tut er auch nach dem Spiel, zusammen mit Morris Trachsler, Andres Ambühl und Samuel Guerra im SRF-Interview: «Davos Hockey zuhause ist» oder «Da vos Hockey dahei isch?» Nachhause fahren heissts dann auch für den erneut durch Hunger geplagten, müden, verschwitzten und durstigen Mann aus dem Unterland, einzig der Gang zur Toilette wird noch in Davos erledigt.

20. Februar 2015 – 48. Spieltag

Davos – ZSC Lions 1:2 (0:0, 1:1, 0:1)
Vaillant Arena. – 5’247 Zuschauer. – SR Fischer /Kurmann, Bürgi /Fluri. – Tore: 23. Trachsler (Bergeron, Nilsson) 0:1. 35. Redenbach (Axelsson, Heldner) 1:1. 50. Shannon (Malgin) 1:2. – Strafen: Je 3-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: Davos ohne Reto von Arx, Koistinen, Camperchioli, Lindgren und Sciaroni, ZSC Lions ohne Seger, Keller, Bastl, Neuenschwander, Smith und Fritsche (alle verletzt/krank). Davos ab 59:07 ohne Torhüter.
Davos: Genoni (Senn); Du Bois (2), Kindschi; Heldner, Forster; Jan von Arx, Guerra; Schneeberger (2), Paschoud; Marc Wieser, Ambühl, Dino Wieser; Hofmann, Redenbach, Paulsson; Aeschlimann, Corvi, Axelsson; Simion, Walser (2), Jörg.
ZSC Lions: Flüeler (Boltshauser); Geering, Tallinder; Tabacek, Bergeron; Blindenbacher, Siegenthaler; Karrer, Schnyder; Baltisberger, Cunti (2), Wick; Künzle, Shannon (2), Malgin; Bärtschi, Trachsler, Nilsson; Bachofner, Senteler, Schäppi (2).

70 Sekunden Zurück in die Zukunft

Es gibt viele Kuriositäten im Eishockey aber sowas hab ich noch nicht erlebt. Am Sonntag, 28. November 2010, spielt der SC Bern gegen die ZSC Lions. Beim Stand von 2:1 für den SCB, zeigt die Anzeigetafel 30:44, als Andres Ambühl aufs SCB-Tor schiesst und jubelt, doch Partie und Matchuhr laufen weiter bis zum nächsten Unterbruch.

Da zeigt die Matchuhr 31:54 und den Spielstand von 2:1. Nach der Videokonsultation des Head-Duos Marco Prugger/Daniel Stricker wird Ambühls Treffer bei 30:44 gegeben, ein korrekter Entscheid, wie auch die Bilder der Hintertor-Kamera auflösen.

„Die 70 Sekunden werden zweimal gespielt.“

— Zurück in die Zukunft

Somit muss auch die Matchuhr von 31:54 auf 30:44 zurückgestellt werden und zeigt neu den Spielstand von 2:2. Und jetzt beginnt die Zeitreise: Lions-Stürmer Patrick Schommer erzielt bei 31:49 den 3:2 Führungstreffer für die Gäste. Die 70 Sekunden werden zweimal gespielt.

Die gleiche Zeit von 31:49 erscheint an diesem Abend zweimal auf der Matchuhr, einmal beim Spielstand von 2:1 für Bern und beim zweiten Mal stehts 2:3 für die Lions. Auch ohne Delorean werden die 15’400 Fans Zeuge einer „Zeitreise“, welche die Lions zwar kurz in Führung bringt, jedoch trotz gütiger Mithilfe der „Zeit“ trotzdem nicht zum Sieg führt.

28. November 2010

Bern – ZSC Lions 6:3 (1:0, 2:3, 3:0)
PostFinance-Arena. – 15’420 Zuschauer. – SR Prugger/Stricker, Arm/Küng. – Tore: 12. Dubé (Gamache, Vigier) 1:0. 25. Vigier (Gamache) 2:0. 27. Paterlini (Ryser) 2:1. 31. (30:44) Ambühl (Monnet, Cory Murphy) 2:2. 32. (31:49) Schommer (Thomas Ziegler, Bühler) 2:3. 37. Dubé (Vigier, Krueger /Ausschlüsse Westcott; Gamache) 3:3. 50. Froidevaux (Scherwey, Vermin) 4:3. 55. Kwiatkowski (Dubé, Krueger /Strafe gegen Monnet angezeigt) 5:3. 60. (59:27) Vigier (Plüss) 6:3 (ins leere Tor). – Strafen: Bern 2-mal 2 Minuten, ZSC Lions 5-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: PostFinance-Topskorer: Dubé (Bern); Pittis (ZSC Lions). Bern ohne Roche, Dominic Meier, Hänni und Pascal Berger, ZSC Lions ohne Pascal Müller und Down (alle verletzt). — Timeout ZSC Lions (59:11). – Pfostenschüsse: Thomas Ziegler (55.), Monnet (60.).
Bern: Bührer; Jobin, Philippe Furrer; Krueger, Kwiatkowski; Stettler, Beat Gerber; Roland Gerber; Vigier, Dubé, Gamache; Neuenschwander, Plüss, Rüthemann; Gardner, McLean, Scherwey; Vermin, Froidevaux, Reichert.
ZSC Lions: Flüeler; Stoffel, Seger; Cory Murphy, Daniel Schnyder; Westcott, Geering; Schelling; Nolan, Pittis, Adrian Wichser; Bühler, Thomas Ziegler, Schommer; Monnet, Ambühl, Patrik Bärtschi; Ryser, Schäppi, Paterlini; Bastl.