Von Fankulturen und NHL-Kandidaten

Aus der Organisation der ZSC Lions gibts immer wieder NHL-Kandidaten. (Hervé Chavaillaz)

Tissot-Arena in Biel, die Pressekonferenz wurde von den beiden Presse-Verantwortlichen Sandro Frei und Silvan Andrey abgehalten, da betritt ein gut gekleideter, älterer Herr den Presseraum. Höflich bittet er den Pressechef um eine Aufstellung. Wer noch spät im Presseraum herumlungert, bemerkt den nicht alltäglichen Gast und erkennt ihn durch seine englische Sprache. Sofort ist klar, die Scouts aus der National-Hockey-League bummeln wieder durch die europäischen Stadien, allerdings trägt er ein Logo von ZSKA Moskau auf seiner Jacke.

Eigentlich nichts spezielles und dennoch fragt man sich, wen beobachtet er? Was notiert er? Welcher Akteur imponiert ihm? Auf der Pressetribüne, wie könnte es auch anders sein, nimmt der freundliche, ältere Herr neben mir Platz und fragt vorher ob dieser Sitz noch frei sei. Im Smalltalk gibt Danny Brooks einiges Preis: Als Scout der Washington Capitals tourt er einige Wochen durch Europa, zum Playoff-Beginn weilt er noch in der Schweiz, dann geht er eine Woche nach Schweden.

Europäisches Nashville

Auf die Frage wen er den heute Abend beobachtet, zeigt sich der Scout, wie erwartet bedeckt, «i look for everyone», sagt er lachend. Er füt hinzu, dass ihm die europäische Stadion Atmosphäre imponiert, seine Tochter und seine Frau, wären sie hier, würden sie mitten in der Stehrampe stehen. Statt über mögliche Kandidaten für die Capitals, unterhalten wir uns über die unterschiedliche Fankultur zwischen Europa und Nordamerika. «Am ehesten kommt Nashville an die Stimmung der Europäer, in Nashville ist das Publikum frenetischer als in der NHL üblich», sagt Brooks weiter.

„I look for everyone.“

— Danny Brooks (Scout, Washington Capitals)

Und Brooks weiss wovon er spricht, als Spieler hat er in den neunziger Jahren in Grossbritannien gespielt und als Assistenztrainer war ein Jahr in der Kontinental-Hockey-League bei ZSKA Moskau tätig. Zurück zum Spiel: Die Intensität gefällt ihm, auf dem Eis gehts ziemlich zur Sache, die Bieler führen nach 40 Minuten mit 2:0 und ein erster Vorgeschmack auf die Playoffs ist zu spüren. Am Montag besucht er das «Rückspiel» in Zürich oder das 50. und letzte Qualifikationsspiel.

Erste Saison für Siegenthaler

Washington hat sich 2015 die Rechte von Zürichs Jonas Siegenthaler gesichert und ihn im Draft in der zweiten Runde als Nummer 57 gezogen. Man sei in sehr zufrieden mit Siegenthaler sagt Brooks weiter. Nach zwei Stippvisiten, bestreitet der 20-jährige Verteidiger seine erste «ganze» Saison in Nordamerika und ist im AHL-Team der Hershey Bears parkiert. In Hershey ist Siegenthaler, nach David Aebischer und Timo Helbling, erst der dritte Schweizer in der 80-jährigen Klubgeschichte.

In der Schweiz ist Brooks kein unbekannter, im Juli 2014 sorgte der irisch-amerikanische Doppelbürger beim SC Bern für kuriose Schlagzeilen. Nachdem Brooks als Assistent von Guy Boucher verpflichtet wurde, wurde das Engagement nach knapp einer Woche wieder aufgelöst. Brooks, der bereits zwei Jahre als Assistent von Boucher in Drummondville tätig war, soll gleichzeitig in Frankreich einen Vertrag unterschrieben haben.

Ob sich auch Julian Schmutz ins Notizbuch von Brooks gespielt hat? (Hervé Chavaillaz)

3. März 2018

Biel – ZSC Lions 4:1 (1:0, 1:0, 2:1)
Tissot-Arena. – 5’828 Zuschauer. – SR Mollard/Müller, Altmann/Kaderli. – Tore: 14. Schmutz (Diem) 1:0. 39. Rajala (Forster/Ausschlüsse Earl; Kenins, Suter) 2:0. 44. Rajala (Pedretti) 3:0. 57. Chris Baltisberger (Sutter/Ausschluss Wetzel, ZSC Lions ohne Torhüter) 3:1. 59. Schmutz (Neuenschwander, Kreis) 4:1 (ins leere Tor). – Strafen: Biel 10-mal 2 Minuten, ZSC Lions 8-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: PostFinance-Topskorer: Pouliot; Pettersson. Biel ohne Lofquist (überzähliger Ausländer) sowie Dufner, Tschantré und Valentin Lüthi, ZSC Lions ohne Blindenbacher, Nilsson, Sjögren, Marti (alle verletzt), Klein (krank), Pelletier (überzähliger Ausländer) sowie Künzle, Pestoni und Miranda (alle überzählig). 58. Tor von Chris Baltisberger annulliert (hoher Stock). (58:08) Timeout ZSC Lions und ab 56:06 bis 56:39 und von 57:35 bis 58:42 ohne Torhüter.
Biel: Hiller; Jecker, Forster; Fey, Kreis; Maurer, Steiner; Hächler; Pedretti, Pouliot, Rajala; Micflikier, Fuchs, Earl; Schmutz, Diem, Neuenschwander; Joggi, Sutter, Wetzel; Fabian Lüthi.
ZSC Lions: Flüeler; Seger, Phil Baltisberger; Sutter, Geering; Guerra, Berni; Karrer; Pettersson, Vey, Suter; Wick, Shore, Kenins; Chris Baltisberger, Schäppi, Herzog; Bachofner, Prassl, Hinterkircher; Korpikoski.

Boucher und die Lightning-Connection

Beim SC Bern sind aktuell fünf ehemalige Protagonisten der Tampa Bay Lightning engagiert. Die Neuzugänge Cory Conacher, Trevor Smith, Sean Bergenheim und Timo Helbling, sowie der bisherige Headcoach Guy Boucher. Sie alle standen einst in der Organisation der Lightning. Die drei Stürmer Bergenheim, Conacher und Smith spielten zwischen 2010 und 2013 unter Boucher bei Tampa in der National-Hockey-League (NHL). Der Pionier unter dem Quintett ist aber Helbling, er stand bereits 2005-06 beim damaligen Stanley-Cup-Sieger unter Vertrag.

In der NHL realisierte das Berner-Quartett in 156 Spielen 70 Skorerpunkte. In der Schweiz kommen die ehemaligen «Blitze» in den ersten 15 Qualifikations-Runden auf 29 Zähler. Am 20. Oktober 2015 gastiert der Tabellenzehnte HC Ambrì-Piotta in der PostFinance Arena. Nach 40 Minuten führen die Leventiner mit 3:1 und Bouchers Trainerstuhl gerät, gezeichnet durch die jüngsten Berner Auftritte und die nordamerikanische Gerüchteküche, ins Wanken. Doch die Blitze am Berner Eishockeyhimmel scheinen die Notsignale ihres ehemaligen NHL-Coaches noch rechtzeitig zu erhören.

Sechs Skorerpunkte der Lightning-Connection

Im letzten Drittel schlagen die «SCB-Blitze» gleich fünfmal in Ambrìs Gehäuse ein und der SCB gewinnt in einem spektakulären Eishockeyabend mit 6:3. Bouchers Lightning-Connection steuert bei der grossen Tampa-Show sechs Skorerpunkte (Helbling 3, Conacher 2, Smith 1) bei und verschafft ihrem ehemaligen NHL-Trainer Luft nach oben. «Thinking to the gameplan under pressure, thats mental toughness», nennt Boucher als Schlüssel zum siegreichen Abend. Anders als die «Bern Lightning» präsentiert sich das Fanionteam in der NHL. Tampa Bay verliert am selben Abend gegen Roman Josi und die Nashville Predators mit 4:5 nach Penaltyschiessen, ob Jon Coopers Gameplan nicht konsequent umgesetzt wurde?

Bern – Ambri-Piotta 6:3 (0:2, 1:1, 5:0)
PostFinance Arena. – 14’952 Zuschauer. – SR Eichmann/Koch, Espinoza/Kaderli. – Tore: 1. (0:23) Monnet (Emmerton, Fora) 0:1. 20. Giroux (Pestoni, Hamill) 0:2. 31. Duca 0:3. 34. Smith (Helbling, Rüfenacht) 1:3. 44. Plüss (Jobin/Ausschluss Bianchi) 2:3. 48. (47:29) Roy (Conacher, Blum) 3:3. 49. (48:10) Moser (Blum, Pascal Berger/Ausschluss Duca) 4:3. 54. (53:30) Pascal Berger (Helbling) 5:3. 55. Helbling (Conacher/Ausschluss Mäenpää) 6:3. – Strafen: Bern 3-mal 2 Minuten, Ambrì-Piotta 8-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: Bern ohne Ebbett, Kobasew und Krueger, Ambri-Piotta ohne Hall, Flückiger (alle verletzt), Gautschi und Stucki (beide krank). Timeout Ambri-Piotta (46.).
Bern: Bührer; Helbling, Untersander; Kreis, Blum; Jobin, Gerber; Flurin Randegger, Gian-Andrea Randegger; Reichert, Rüfenacht, Scherwey; Moser, Plüss, Bodenmann; Alain Berger, Smith, Bergenheim; Conacher, Roy, Pascal Berger
Ambrì-Piotta: Zurkirchen; Fora, Zgraggen; Birbaum, Mäenpää; Trunz, Chavaillaz; Sven Berger; Lhotak, Emmerton, Monnet; Grassi, Bastl, Lauper; Pestoni, Hamill, Giroux; Duca, Kamber, Bianchi; Fuchs.

Der Berner will Aromat

Spielt Bern in Europa bleibt die Stehrampe zu. Dies ist bereits in den 90er Jahren so. Anlässlich des Europa-Cups 1991-92 gastiert zum Auftakt des Halbfinalturniers der jugoslawische Vertreter Olimpija Laibach – gerade mal 800 Leute wollen den Schweizermeister gegen den unbekannten Gegner sehen. 23 Jahre später bleibt die Stehrampe, wie zu Gilligans-Zeiten, wieder zu. Der Gegner kommt aber nicht aus Jugoslawien, sondern aus dem Land des WM-Finalisten Finnland.

„Dr Bärner wott Aromat“ sagt Massimo Rocchi in seiner Nummer, „ja dr Bärner wott Langnou u Bieu“ – quasi das Aromat des hiesigen Hockeylandes statt ein neues, unbekanntes Gewürz aus dem hohen Norden. Ausgerechnet in Bern klappts nicht mit Europa, der Zuschauerkrösus Europas glänzt seit 2001 nur in der heimischen, bekannten Meisterschaft. „Kommen die Finnen ist keiner mehr dinnen“ oder „kommt Tappara ist keiner mehr da“ oder eben, wie Rocchi es passend in seiner Nummer „Essen in der Schweiz“ beschreibt, der Berner will Aromat.


„Dr Bärner wott Aromat.“

– Massimo Rocchi, über das Essen in der Schweiz

In den beiden CHL-Partien gegen die europäischen Topadressen Ocelari Trinec und Tappara Tampere füllen die 4’677 und 4’731 Fans nicht einmal die 6’800 Sitzplätze und bringen den SCB auf einen Schnitt von 4’704 Fans pro Spiel. Damit liegt Europas Krösus in Europas Königsklasse zuschauermässig nur auf Rang sieben. Der 08/15-Fan kann (noch) nichts mit der neugeschaffenen CHL anfangen. Erstens verfügt er nur über mangelnde Kenntnisse und zweitens reicht sein Hockey-Horizont knapp bis zu den Tribünen des Stade-de-Suisse, schade eigentlich.

Die ersten 50 Minuten geben dem 08/15-Fan jedoch recht, denn die Partie gegen Tappara beginnt erst nach 49 Minuten, ab da wird dann alles geboten was ein Spitzenspiel haben muss: Spannung, Aufholjagd, Penalty in der Overtime, Schlägereien und als Krönung noch das Penaltyschiessen mit einem Berner Sieg. Was will man mehr? Aromat? Nach der Niederlage gegen Trinec sagt ein SCB-Funktionär: «diä Tschämpiens-Liiig isch doch ä Schissdräck» und nach dem Knüller gegen Tappara sagt Trainer Guy Boucher immerhin: «Ich konnte mein Team im Penaltyschiessen beobachten», doch so richtig angekommen ist der SCB noch nicht.

Zuschauer (alle 2 Heimspiele)

ClubLandSchnitt
1.Eisbären BerlinDe5’930
2.Hamburg FreezersDe5’509
3.Adler MannheimDe5’250
4.KosiceSlk5’124
5.LinköpingSd4’824
6.Frölunda GöteborgSd4’723
7.BernSz4’704
8.Genf-ServetteSz4’645

Vor sechs Jahren  

An die Zahlen der Champions-Hockey-League, der Ausgabe 2008-09, kommen die Berner nach zwei Partien ebenfalls nicht. 6’756 und 7’057 wollen im Herbst 2008 die beiden Spiele (Schnitt 6’907) gegen die Espoo Blues und HV71 Jönköping sehen.

4. September 2014 – 3. Runde (Gruppe E)

Bern – Ocelari Trinec 0:4 (0:3, 0:1, 0:0)
PostFinance-Arena. – 4’677 Zuschauer. – SR Schukies (De) /Wiegand, Kohler /Rohrer (alle Sz). – Tore: 5. Orsava (Jasek) 0:1. 7. Zejdl (Polansky, Nosek /Ausschluss Scherwey) 0:2. 20. Zejdl (Nosek, Troncinsky /Ausschluss Plüss) 0:3. 33. Orsava (Matus) 0:4. – Strafen: Bern 4-mal 2 Minuten, Ocelari Trinec 6-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: Bern ohne Kobasew, Moser (verletzt) und Wellinger überzählig. 
Bern: Bührer; Krueger, Furrer; Gerber, Blum; Jobin, Gragnani; Kinrade, Kreis; Holloway (2), Ritchie, Rüfenacht; Pascal Berger, Plüss (2), Reichert; Bertschy, Gardner, Scherwey (2); Loichat (2), Randegger, Alain Berger.
Ocelari Trinec: Hamerlik; Klesla (2), Roth; Nosek, Linhart; Doudera, Troncinsky; Ciencala, Galvas; Kreps, Plihal (2), Dravecky; Irgl (2), Polansky (2), Rufer (2); Jasek, Zejdl, Orsava (2); Ruzicka, Matus, Kindl.

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6. September 2014 – 4. Runde (Gruppe E)

Bern – Tappara Tampere 4:3nP (0:0, 2:0, 1:3, 1:0)
PostFinance-Arena. – 4’731 Zuschauer. – SR Eichmann /Hribik (Sz/Tsch), Fluri /Kovacs (Sz). – Tore: 25. Ritchie (Holloway, Rüfenacht) 1:0. 37. Ritchie (Gardner, Holloway /Ausschlüsse Alain Berger; Kankaanperä, Mäkinen) 2:0. 49. Pascal Berger (Reichert, Gerber) 3:0. 53. Kaksonen 3:1. 56. Kolomatis (Kuusela, Erkinjuntti) 3:2. 59. Aalto (Tappara ohne Torhüter) 3:3. – Penaltyschiessen: Furrer -, Peltola -, Ritchie -, Da Costa 0:1, Gardner -, Palola -, Holloway 1:1, Jormakka -, Plüss -, Kuusela -, Palola -, Pascal Berger 2:1. – Strafen: Bern 7-mal 2 Minuten, Tappara Tampere 4-mal 2 plus 5 Minuten plus Spieldauer (Kankaanperä). – Bemerkungen: Bern ohne Kobasew, Moser (verletzt) und Wellinger (überzählig). – 56. Time-out Bern. Tappara Tampere ab 57:51 bis 58:49 ohne Torhüter. 63. Kinrade verschiesst Penalty.
Bern: Bührer; Kinrade, Kreis; Gerber (2), Blum; Jobin, Gragnani; Furrer (2); Bertschy (2), Gardner, Scherwey; Holloway (2), Ritchie, Rüfenacht; Pascal Berger, Plüss (2), Reichert; Loichat, Randegger, Alain Berger (4).
Tappara Tampere: Metsola; Aalto, Mäntylä; Kolomatis, Saravo; Mäkinen (2), Kankaanperä (25); Rauhala, Elorinne; Kuusela (2), Malinen, Erkinjuntti; Palola, Järvinen, Jormakka; Karjalainen (2), Green (2), Kallela; Da Costa, Peltola, Kaksonen.

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