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Jäähalli und Teatteri

Helsinki, wie viel haben wir alle schon davon gehört oder darüber gelesen, wer sich mit Eishockey befasst kommt eher früher als später mit der finnischen Hauptstadt in Kontakt. Eher früh sehe ich im Frühling 1991 die ersten Weltmeisterschaftsspiele aus der Helsingin Jäähalli am TV. Früh fasziniert auch der neue finnische Meister im Europa-Cup Halbfinal 1992, wieder in der Jäähalli und wieder am TV, gegen den Schweizermeister SC Bern. Jokerit prägt das europäische Eishockey gegen Ende der 90er Jahre und verzückt mit seinen violett-türkis-weissen Jerseys quer durch den Kontinent. Eher spät gehts in eigener Sache an die Weltmeisterschaft 2022, endlich in die achtfache WM-Stadt Helsinki.

Die Hartwall Arena steht während der WM 2022 im «russischen Abseits,» im Abseits steht auch das grüne E-Trotti von «Tier.» (Krein)

Spielort ist, aus bekannten Gründen, erstmals seit 1997 nicht mehr Helsinkis Prunkstück Hartwall Arena. Jokerits Heimstätte liegt etwas ausserhalb und ist per E-Trottinett innert 30 Minuten vom Stadtzentrum zu erreichen, zu meinen Erschrecken liegt die Arena schon ausserhalb des Geschäftsbereichs meines Trottinett-Anbieters «Tier», ob ich je wieder zurückkehren kann? Zweifellos wäre dies der perfekte Austragungsort für die erstmaligen Spiele nach der Pandemie. Auf halbem Weg, gleich beim Olympischen Park liegt die altehrwürdige Jäähalli. Geschichtlich gehts hier per Zeitreise in ruhmreiche Zeiten des WM-Kults. Bei der WM 1974 gabs hier den Volvo-Skandal – die Schweden sind mit unerlaubter Werbung ihres Autoherstellers eingelaufen – bei der WM 1982 spielte Wayne Gretzky sein einziges Mal mit Kanada an den Weltmeisterschaften und 1991 ging hier die letzte WM mit Acht Teams über die Bühne. Trotz unerlaubter Entfernung mit meinem Tier-Gefährt komme ich ohne Panne für 12 Euro 66 wieder ins Stadtzentrum zurück.

Ambühl löst Kiessling ab

Zurück kehrt auch die Jäähalli, am 21. Mai 2022, ins internationale Rampenlicht. Der Kreis der Jäähalli, am Nordenskiöldinkatu 11-13, schliesst sich mit einem internationalen Meilenstein, Andres Ambühl löst den ewigen Rekordspieler Udo Kiessling ab und dies in der gleichen Spielstätte wo die deutsche Legende Acht von seinen 119 WM-Partien absolviert hat. 1991 hat Kiessling in Helsinki sein letzten WM-Turnier gespielt. Die Jäähalli, so scheint es, ist für Ambühls Rekord die richtige Bühne. Ambühl holt hier nämlich bei seinem ersten Auftritt, am 22. März 2001 mit der U18-Nationalmannschaft die WM-Silbermedaille (2:6 Final-Niederlage gegen Russland). Später spielt Ambühl an der WM 2012 in der erwähnten Hartwall-Arena nochmals in Helsinki. Am 22. September 2015 verliert Ambühl mit dem HC Davos in der Jäähalli gegen IFK, mit Headcoach Antti Törmänen, im Champions-Hockey-League 16-Final mit 1:2.

Ambühls 120. WM-Partie gegen Weltmeister Kanada bietet Hochspannung und Spektakel, da ist alles drin was das Hockey-Herz begehrt und die alternde, zu Ambühl passende Spielstätte wird zur Nebensache. Neben dem Rekordspieler sind es die Schweizer Ausnahmekönner aus Übersee welche «ohne jeden Zweifel erhaben sind», wie es ein bekannter Deutscher Entertainer sagen würde. Die Mannschaft beeindruckt mit einer schon fast unheimlichem Geschlossenheit. Das hohe Tempo wird durch die steile Tribüne und durch das schmalere Eisfeld noch verstärkt, dieses Team von Patrick Fischer hat alles was es braucht um ganz vorne mitzuspielen.

Klassentreffen Teatteri

Ganz vorne mit spielt auch der Schweizer Anhang, die Schweizer Hockeyfans sind die Holländer des Eishockeys, die rot-weisse Welle pflügt sich quer durch die finnische Hauptstadt und ist zu jeder Tageszeit allgegenwärtig. In unserem Hotel (Finn-Hotel), im Herz der abendlichen Herrlichkeit gleich beim Irish-Pub am Kalevankatu, liegt jede Nacht irgend ein abgesoffener Schweizer auf einer Treppe oder im Korridor. Ein anderes Klassentreffen, wie es der SRF-Co-Kommentator passend ausdrückt, findet im Restaurant Teatteri statt. Die Hockeyprominenz um Funktionäre, Fan-Gruppierungen und Spieler gönnt sich dort einen späten Umtrunk. Ja, Spieler sind auch dabei, neben drei Schweizer Akteuren, welche das lokal zu einer anständigen Zeit verlassen, beweisen die Kanadier ihre Trinkfestigkeit. Der 195m Hüne Adam Lowry ist gut gelaunt und nimmt die Gratulation über seinen Treffer (2:1) gegen Leonardo Genoni gerne entgegen. Die weiblichen «Groupies» tummeln sich um den kanadischen Tisch und Supertalent Kent Johnson hat alle Hände voll zu tun.

Erinnerungen an Quebec 2008 werden wach, die Russen waren damals jede Nacht bis in die frühen Morgenstunden unterwegs, am Ende holten sie den Weltmeistertitel. Für die Krimi-Autorin Donna Leon, welcher wir kurz vor unserem Abflug in der Abflughalle zufällig über den weg laufen, würden die Kanadier eine perfekte Rolle für den Helsinki-Krimi abgeben. Als finanzieller Krimi entpuppt sich auch der Bierkonsum, die teuersten Hopfengetränke gehen für 12 Euro 50 pro Bier in der Bankabrechnung ein. Lapin Kulta, Koff (langjähriger IFK-Sponsor), Karhu, Karjala (da gabs auch schon einen Cup) oder Aura heissen die finnischen Aushängeschilder an den Zapfhähnen.

Die Hockeywelt um Kirchler

Wie das Bier zur WM gehören auch die Trottinetts zu Helsinki. Die E-Trottis sind allgegenwärtig und summieren sich im dreistelligen Zahlenbereich jeweils vor den Schweizer Spielen auf dem Gelände der Jäähalli. Die Hockeywelt ist in Helsinki, von den flotten Österreichern aus dem Vorarlberg, über den DEG-Fan – der den Brehmstrasse-Kult noch erlebt hat, über Asconas Kultspieler und heutigem Regio-League Boss, über den treuen Briten im Slough Jets-Jersey bis zu Zürichs aktuellem Sportchef und ehemaligen Presseverantwortlichen. Während des Italien-Spiels kaum zu übersehen ist die gelb-schwarze Fan-Gruppe des HC Pustertal/Val Pusteria, angeführt durch Kult-Mann Patrick Kirchler. Der Brunecker Kirchler begleitet die Azzurris seit 1993 an fast jedes WM-Turnier und gilt als weltbekannte Koryphäe in Sachen Hockeyjerseys.

Selbstverständlich darf auch ein Besuch bei den SRF-Kommentatoren und Berufskollegen Reto Müller und Philippe Furrer nicht fehlen. Auf dem Heimweg nach dem Frankreich-Spiel folgt ein kurzer und höchst kurzweiliger Fussmarsch mit Ralph Krueger. Krueger hat während der WM 1997 seinen Vertrag bei Swiss Ice Hockey in Helsinki unterschrieben und legte damit hier den Grundstein für das heutige Eishockey-Daseins unseres Landes. Helsinki ist zwar nicht Tampere, dennoch unterstreicht die finnische Hauptstadt während dieser WM ihre Wichtigkeit auf der Eishockey-Landkarte und tritt früher oder später mit so manchem in Kontakt.

Kanada – Schweiz 3:6 (3:3, 0:1, 0:2)
CAN – Johnson, Lowry, Batherson
SUI – Fora, Kukan, Siegenthaler, Hischier, Suter, Meie

Alles nur Unsinn?

Irgendwann im Schlussdrittel kommt die Geschichte des Kommentators über Dominik Kahun, er sei der erste Deutsche beim SC Bern seit dem Engagement von Xaver Unsinn 1978. Innert Kürze meldet sich per WhatsApp ein gewiefter SCB-Journalist, der Chronist würde sagen, dass ihm dessen Name soeben entfallen sei: “Stimmt nid ganz mitem Unsinn u mitem Kahun. Dr Justin Krueger hett ou z Bärn gspiut u isch ja ou ä Dütsche”, lautet die Nachricht. Super einer hört zumindest ganz genau zu und genau genommen hat er recht, denn Krueger ist zwischen 2010 und 2011, sowie zwischen 2013 und 2020 beim SCB und spielt fürs deutsche Nationalteam. Doch Krueger ist in der Schweiz gross geworden und verfügt über eine Schweizer Lizenz, also quasi ein “Hockeyschweizer” wie einst Christian Langer, welcher zwischen 1995 und 1998 ebenfalls beim SCB unter Vertrag steht und für Deutschland spielen kann. Langer ist also gleich “deutsch” wie Krueger und Krueger ist gleich “schweizerisch” wie Langer.


(Andreas Blatter)

“Stimmt nid ganz mitem Unsinn u mitem Kahun.”

– R. P. aus A., per WhatsApp

Somit ist die Aussage des Kommentators doch kein Unsinn? Und Dominik Kahun ist der erste “echte” SCB-Import unseres grossen Nachbarn seit dem Engagement von Xaver Unsinn. Deutschland und Bern, eine Kombination welche nicht nur farblich-, sondern auch sportlich passt. Unsinn holt mit dem SCB gleich im ersten Jahr den Schweizermeistertitel. Kahun bietet auf Anhieb Spektakel, der 188-fache NHL-Spieler und Topskorer hat zwar seit sieben Spielen nicht mehr getroffen, sorgt aber mit seinem wunderbaren “Game-Winning-Goal” in der 14. Minute für den ersten Sieg der Mutzen seit vier Spielen. Kahun und der SCB, eine Geschichte die zu passen scheint, wie einst mit dem ersten Deutschen Meistertrainer der Schweiz.

11. Dezember 2021 – 34. Runde

Bern – Davos 3:1 (2:0, 0:1, 1:0)
PostFinance-Arena. – 14’131 Zuschauer. – SR Stolc /Hürlimann, Steenstra /Stalder. – Tore: 3. Bader (Thiry, Praplan) 1:0. 14. Kahun (Thomas, Scherwey) 2:0. 31. Simic (Stransky, Nygren) 2:1. 49. Thiry (Varone) 3:1. – Strafen: Bern 8-mal 2 Minuten, Davos 6-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: Bern ohne Blum, Jeffrey, Pinana, Rüfenacht (alle verletzt) und Conacher (überzählig), Davos ohne Frehner und Nussbaumer (beide verletzt). Davos ab 58:27 ohne Torhüter.
Bern: Wüthrich; Untersander, Henauer; Andersson, Beat Gerber; Thiry, Colin Gerber; Kast; Thomas, Kahun, Scherwey; Daugavins, Varone, Moser; Jeremi Gerber, Praplan, Bader; Sciaroni, Neuenschwander, Berger; Fahrni.
Davos: Senn (21. Aeschlimann); Nygren, Heinen; Dominik Egli, Wellinger; Zgraggen, Jung; Stoop, Barandun; Stransky, Rasmussen, Simic; Ambühl, Corvi, Pospisil; Schmutz, Chris Egli, Ritzmann; Wieser, Prassl, Knak.

In flagranti 1’000

1’000-mal gespielt und 1’000-mal ist was passiert, dies gilt für Jubilar Beat Forster. Die «Eiszeit» des Herisauers beginnt am 16. Januar 2001 und dem Alter von 17 Jahren in der National-League (A). 20 Jahre später lassen die Hockey-Götter oder Willi Vögtlins Raffinesse das 1000-ste Spiel des Biel-Verteidigers auf den HC Davos fallen. 628 seiner 1000 Spiele hat Forster mit dem HCD absolviert und dort spielt ein weiteres Mitglied des 1’000-er Clubs: Andres Ambühl debütiert 2001 einen Monat nach Forster und spielt heute seine 1’090. Partie und liegt hinter Beat Gerber und Mathias Seger auf Rang drei unseres Landes.

In diesen 999 Partien schiesst, «Beat Schiess-Forster» hiess Forster zu Beginn seiner Karriere noch, 20-mal das Game-Winning-Goal, davon einmal in der Overtime. In 13 Spielen fasst der harte Verteidiger eine Spieldauer-Disziplinarstrafe, vor dem Interview der 1’000. Partie sagt Forster, er habe auch alle Drittel seiner Karriere gezählt, dies sind aufgrund seiner Ausschlüsse keine 3’000. In flagranti, was «auf frischer Tat» bedeutet, erwischt es den Jubilar auch in seinem Jubiläumsspiel und muss in der 31. und 32. Minute seine Strafminuten 1’506 und 1’507 absitzen.

In flagranti erwischt es nach der Davoser Niederlage auch den 1’090 Spiele schweren Ambühl, zunächst muss er zum Interview antreten und danach wird er noch auf seine Hockey-Affinität befragt. Ambühl verfolgt das Spielgeschehen nämlich rund um die Welt und wird mit einem australischen Eishockey-Buch für die Heimreise ausgestattet. «Australien wäre noch was», verrät Ambühl, denn sein ehemaliger Teamkollege Andreas Camenzind (2012 in Brisbane und 2019 in Canberra) habe ihm davon erzählt, «doch es sei wohl zu spät für ihn», nie und nimmer, der Dauerbrenner könnte auch mit 50 noch in Australien spielen.

In flagranti zum australischen Hockey-Buch, Andres Ambühl beim Jubiläumsspiel Beat Forsters. (Hervé Chavaillaz)

In flagranti erwischt es nach dem Spiel auch den MySports Kommentator in der Amag-Lounge. «In flagranti» ist die Werbe-Agentur welche für den «coolen» Auftritt der Bieler «Eiszeit» verantwortlich ist, zu seiner eigenen Schande hat er dies noch nicht mitgekriegt, obwohl er einst – vor ca. 1000 Spielen – bei der Lysser Agentur eine Woche verbracht hat. «In flagranti» erwischt es aber auch Agentur-Mitgründer und Geschäftsführer Michael Hählen bei der gegenseitigen Vorstellungsrunde mit dem einstigen Werbe-Kandidaten.

Die kurzweilige Zeit in der Amag-Lounge geht gegen Mitternacht dem Ende zu, die «Eiszeiten» von Forster und Ambühl laufen mindestens noch bis im Frühling 2022 bzw. 2023 – und wer weiss – findet vielleicht dereinst in der australischen AIHL ihre Fortsetzung, wenn die Australier von den alten Schweizern in flagranti erwischt werden.

18. September 20216. Qualifikationsrunde

Biel – Davos 3:0 (0:0, 2:0, 1:0)
Tissot-Arena. – 4’622 Zuschauer. – SR Tscherrig /Hungerbühler, Huguet /Altmann. – Tore: 25. Brunner (Lööv, Jakowenko) 1:0. 35. Sallinen (Rajala, Schneeberger) 2:0. 47. Hügli (Schläpfer, Hischier) 3:0. – Strafen: Biel 7-mal 2 plus 5 Minuten (Rathgeb) plus Spieldauer (Rathgeb) gegen Biel, Davos 7-mal 2 plus 5 Minuten (Jung) plus Spieldauer (Jung). – Bemerkungen: Biel ohne Fey, Haas und Tanner (alle verletzt).
Biel: Van Pottelberghe; Rathgeb (27), Lööv (4); Jakowenko (2), Grossmann; Stampfli, Forster (2); Schneeberger; Brunner (TS), Cunti (2), Künzle; Hügli, Sallinen, Hofer; Hischier, Schläpfer (2), Rajala; Kohler, Froidevaux, Kessler; Karaffa.
Davos: Aeschlimann; Nygren, Zgraggen; Dominik Egli, Wellinger; Heinen, Jung (29); Stoop, Barandun; Stransky, Rasmussen, Bromé; Wieser, Corvi, Ambühl (TS); Frehner, Prassl (2), Knak (2); Simic, Chris Egli (4), Schmutz.

Premiere für die Ewigkeit

Die Pre-Playoff-Premiere in der Schweiz wird durch das verflixte Corona-Jahr wohl immer in Erinnerung bleiben, «damals wurden doch die Pre-Playoffs eingeführt, im Jahr der ersten Pandemie», wird man wohl dereinst sagen. Die Schweiz ist das letzte Land Europas grosser Hockeynationen, welches den neuen Vor-Playoff-Modus adaptiert. Finnlands SM-liiga war 2004-05 der Vorreiter dieses Spektakels. Zwei Jahre später folgten Deutschland und Tschechien, 2013-14 Schweden und vor zwei Jahren die Slowakei. Bern und Rapperswil-Jona sind die ersten Nutzniesser der schweizerischen Version und gehen, im Land der ängstlichen Favoriten, erstmals als Sieger hervor.

Im zweiten Spiel adaptiert sich die leere, imposante PostFinance-Arena auf die Torproduktion des Heimteams und dem amtierenden Schweizermeister, aktuell der längste Schweizermeister seit dem HCD beim Zweiten Weltkrieg, gelingt kein Treffer gegen Sandro Aeschlimann und Co. Bündner und Berner haben sich im Lauf der Jahre schon sieben packende Playoff-Duelle geliefert, dabei fünfmal mit dem besseren Ausgang für die gelb-blauen. Dies gelingt dem hervorragend eingestellten Team von Christian Wohlwend vorerst auch im zweiten Spiel der neuen Pre-Playoffs.

Derweil fällt der erste Favorit 160 Kilometer östlich von Bern durch das «Swiss-Cheese-Modell», Das Schweizer-Käse-Modell ist eine Verkettung von Unfallursachen, welche von latenten und aktiven menschlichen Fehlern, im Zusammenhang mit einer ungünstigen Kombination vieler ursächlicher Faktoren zu einem unerwünschten Ereignis führen. Mehr gibts dazu nicht zu sagen.

Mehr zu sagen hätte es bei der Trauerminute zu Ehren vom langjährigen SCB-Funktionär Max Sterchi gegeben. SCB-Original und Parkplatz-Chef Jüre Wymann, bekannt als «SCB-Jüre» hat mir beim passieren der Barriere zu den Presseparkplätzen Sterchis Lieblingsgeschichte erzählt: Es war im Februar 1965, als der SCB in Villars zur letzten und entscheidenden Partie um den Schweizermeistertitel antrat, unter heftigem Schneefall musste das Eis in den letzten zehn Minuten dreimal gereinigt werden, der SCB führte bereits mit 3:0, als das Heimteam einen Spielabbruch forderte, doch Head-Schiedsrichter Heinrich Ehrensperger liess sich davon nicht beirren und die Berner feierten ihren zweiten Meistertitel. Diese Geschichte, so SCB-Jüre, habe Sterchi immer wieder gerne erzählt.

Wer weiss, dereinst wird vielleicht ein langjähriger SCB-Funktionär auch die Geschichte von der leeren PostFinance-Arena, den ersten Pre-Playoffs während der ersten Pandemie, welche nicht nur den Eishockeysport weltweit beeinträchtigt hat, erzählen: Es war im April 2021, als der SCB…

9. April 2021 – Pre-Playoffs

Bern – Davos 0:3 (0:1, 0:0, 0:2)
PostFinance-Arena. – 0 Zuschauer. – SR Salonen/Urben, Schlegel/Burgy. – Tore: 9. Palushaj (Heinen) 0:1. 57. Baumgartner (Nussbaumer) 0:2. 59. Baumgartner (Herzog, Palushaj) 0:3. – Strafen: Bern 4-mal 2 Minuten, Davos 5-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: Bern ohne Blum, Rüfenacht, Sciaroni (verletzt), Burren, Sterchi (überzählig). Davos ohne DuBois, Paschoud, Dino Wieser (verletzt), Ullström (überzählig). – 12. Pfostenschuss Palushaj. Marc Wieser im zweiten Drittel verletzt ausgeschieden.
Bern: Karhunen; Untersander, Henauer; Andersson, Zryd; Thiry, Beat Gerber; Colin Gerber; Conacher, Jeffrey, Olofsson; Pestoni, Praplan, Scherwey; Sopa, Heim, Moser; Berger, Neuenschwander, Bader; Jeremi Gerber.
Davos: Sandro Aeschlimann; Nygren, Jung; Stoop, Sund; Heinen, Guerra; Barandun, Hänggi; Marc Wieser, Corvi, Ambühl; Palushaj, Baumgartner, Turunen; Frehner, Egli, Herzog; Nussbaumer, Marc Aeschlimann, Ritzmann.

I’m Legend und das Ende

Das zweisprachige MySports-Duo Krein/Beuchat beim Geisterspiel in Biel. (Hervé Chavaillaz)

Noch am Spieltag kommt die Hiobsbotschaft in einer Livesendung von Bundestrat Alain Berset, heute Abend wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit gespielt. Also steht zum ersten Mal seit meiner Einführung ins Hockey-Leben ein Spiel ohne Zuschauer auf dem Programm. Einst hab ich fasziniert vom berühmten Geister-Final in der italienischen Serie-A zwischen dem HC Mailand und den Devils Mailand gelesen, unvorstellbar musste dies damals gewesen sein, in einem Final der sonst vor 10’000 Zuschauern im Forum ausgetragen worden war.

Heute trete ich selber an Ort und Stelle und es ist als ob all die Science-Fiction-Filme vor der Stadiontüre ihr Unwesen treiben würden. Schon der Gang zur Tissot-Arena ist unreal wie in einem schlechten Film. Wie Will Smith in “I’m Legend” spaziere ich vom leeren Parkplatz Richtung Arena, die Sonne steht kurz vor dem Untergang und demnächst werden nach der Unterführung ein paar Zombies um die Ecke kommen. Besser läufts auch drinnen nicht, denn die Türen innerhalb der Arena sind überall abgeriegelt und eine Handvoll Journalisten steckt zwischen Lift und Presseplätzen in der Pufferzone fest.

Bieler und Zürcher laufen ein und für einmal hat sogar das U13-Spiel mehr Zuschauer. Die Atmosphäre ist gespenstisch und unfassbar. Auch einen Tag später in Langnau spukt es im Emmental beim Derby gegen Biel. Jeder Fotograf, Eismeister oder Betreuer, wie im Falle des Bielers Hugo Aegerter, kann namentlich erwähnt werden. Die beiden Endrunden entpuppen sich als vorzeitiges Saisonende und so wird zum zweiten Mal seit Gründung der Nationalliga (1937) kein Meister gekührt. Letztmals gabt dies 1940, aufgrund der Mobilmachung im zweiten Weltkrieg.

Gespenstisches Ambiente unterhalb der Medientribüne. (Hervé Chavaillaz)

Am 19. November 1939 sassen die Delegierten des Schweizerischen Eishockeyverbandes (SEHV) in Zürich an der Generalversammlung. Unter der Leitung von Militär-Hauptmann Hediger wurde die Schweizermeisterschaft abgesagt. Dies weil viele Spieler im Aktivdienst tätig sein mussten. Neben zwei Länderspielen gegen Schweden und Italien gabs nur regionale Meisterschaften und ein Ersatzturnier für den Spenglercup. Der HC Davos siegte am Ersatzturnier, vor dem Zürcher SC, dem EHC Basel und dem Kombinationsteam EHC Arosa/SC Bern. In der Westschweiz wurde am 11. Februar 1940 ebenfalls ein Turnier ausgetragen, der HC Lausanne gewann den Final gegen den HC Champéry mit 5:2.

Davos, Bern, Lausanne und Zürich sind schon zum zweiten Mal betroffen.

— Michael Krein

Wie damals stehen auch heute Zürich, als Qualifikationssieger und heimlicher «Geister-Meister», sowie Davos an der nationalen Spitze. Aus der letzten Epoche spielen heute nur noch Lausanne und der SC Bern im Oberhaus, diese vier Klubs sind zum zweiten mal von einem Abbruch betroffen. Unter Ausschluss von Zuschauern spielte letztmals der HC Lugano, am 7. September 2001 mussten die Tessiner, aufgrund der Ausschreitungen vom Playoff-Final gegen die ZSC Lions, zum Saisonauftakt gegen den SC Rapperswil-Jona ohne Zuschauer antreten.

Ein Biel-Akteur hat einen Zusammenhang und wird deshalb zum Interview gebeten, Jason Fuchs’ Vater Régis war beim letzten Geisterspiel auf Schweizer Eis in Lugano dabei. Jason kennt sogar die Geschichte seines Vaters, wie er im Interview zur speziellen Atmosphäre in Biel erzählt. Und passend zur Situation gibts am Ende der Meisterschaft unter den letzten “überlebenden” in der Amag-Lounge ein Bier der Marke Corona.

Die letzten Spiele vor dem “Weltuntergang”

28. Februar 2020

Biel – ZSC Lions 5:1 (2:0, 0:0, 3:1)
Keine Zuschauer. – SR DiPietro/Salonen, Cattaneo/Fuchs. – Tore: 3. Pouliot (Fuchs, Hügli) 1:0. 5. Cunti 2:0. 41. (40:33) Rajala (Riat/Ausschluss Noreau) 3:0. 42. (41:13) Chris Baltisberger (Marti, Suter) 3:1. 58. (57:03) Schneider 4:1 (ins leere Tor). 58. (57:13) Riat 5:1. – Strafen: Biel 6-mal 2 Minuten, ZSC Lions 4-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: PostFinance-Topskorer: Rajala; Suter. Biel ohne Brunner, Moser, Salmela, Ullström, Neuenschwander, Wüest und Lüthi, ZSC Lions ohne Blindenbacher und Ortio (alle verletzt). Cunti verletzt ausgeschieden (28./Puck ins Gesicht). – Pfostenschuss Pedretti (51.). – Timeout ZSC Lions (57.).
Biel: Hiller; Jakowenko, Kreis; Rathgeb, Forster; Fey, Sataric; Hügli, Pouliot, Rajala; Riat, Nussbaumer, Fuchs; Schneider, Cunti, Künzle; Ulmer, Gustafsson, Kohler.
ZSC Lions: Flüeler; Noreau, Marti; Phil Baltisberger, Geering; Trutmann, Berni; Sutter; Chris Baltisberger, Roe, Suter; Bodenmann, Krüger, Hollenstein; Pettersson, Prassl, Wick; Diem, Schäppi, Pedretti; Sigrist.

29. Februar 2020

SCL Tigers – Biel 4:2 (1:0, 1:1, 2:1)
Keine Zuschauer. – SR Dipietro/Urban; Progin/Ambrosetti. – Tore: 19. Maxwell (Dostoinow) 1:0. 35. Rajala (Pouliot/Ausschluss Cadonau) 1:1. 40. (39:43) Dostoinow (Maxwell) 2:1. 46. Brunner (Pouliot, Rajala/Ausschluss Huguenin) 2:2. 51. Elo (Maxwell) 3:2. 56. Elo 4:2. – Strafen: Je 3-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: PostFinance-Topskorer: Pesonen; Rajala. SCL Tigers ohne Gagnon, DiDomenico (überzählige Ausländer) und Punnenovs. Biel ohne Moser, Ullström, Neuenschwander, Lüthi, Cunti, Wüest (alle verletzt), Tschantré (Vaterschaftsurlaub), Jakowenko (überzähliger Ausländer). – 35. Treffer von Salmela aberkannt (Handtor). – Biel ab 56:19 ohne Torhüter.
SCL Tigers: Ciaccio; Glauser, Leeger; Lardi, Erni; Schilt, Blaser; Cadonau, Huguenin; Elo, Maxwell, Dostoinow; Berger, Diem, Pesonen; Schmutz, Earl, Sturny; Kuonen, In-Albon, Andersons.
Biel: Paupe; Fey, Kreis; Rathgeb, Forster; Ulmer, Salmela; Sataric; Hügli, Pouliot, Rajala; Riat, Nussbaumer, Fuchs; Brunner, Gustafsson, Künzle; Schneider, Tanner, Kohler.

Die Schweizer Langeweile

Bern, Zürich und Davos. Diese drei Mannschaften teilen sich seit 13 Jahren den Schweizermeister-Titel. Es ist fast wie in der alten DDR, da spielten während zwanzig Jahren mit der SG Dynamo Berlin und der SG Dynamo Weisswasser nur zwei Mannschaften um den Titel, allerdings gabs in Ostdeutschland zwischen 1970 und 1990 auch nur diese zwei Klubs. Haben in der Schweiz nur diese drei Teams das Zeug dazu den Titel zu holen? Rein statistisch gesehen, leider Ja. Schauen wir in der Schweiz acht weitere Jahre zurück, kommt mit dem HC Lugano in insgesamt 21 Jahren nur ein weiterer Klub dazu. Langeweile oder Konstanz?

Schwieriger Vergleich

In der National-Hockey-League (NHL) spielen 31 Mannschaften, dies minimiert die Chance auf den Stanley-Cup für jeden Einzelnen. Noch schwieriger gilt ein Vergleich für Teams aus der American-Hockey-League (AHL), hier wurde seit 2007 die halbe Liga ausgewechselt. Gerade mal 14 von 31 Organisationen waren vor 13 Jahren schon dabei, dies erhöht eine wechselnde Titel-Kadenz automatisch. Erstaunlich konstant blieb die, im gleichen Umfang praktizierende «russische» Kontinental-Hockey-League (KHL), beim stemmen des Gagarin-Cups, mit nur sechs verschiedenen Titelträgern. Aktuell holte der Traditionsclub ZSKA Moskau erstmals seit 1989 und damit seit 30 Jahren wieder einen Meistertitel.

„Ist es eine Mentalitätsfrage?“

— eishockeyblog

Die Schweiz, lässt sich bestenfalls mit den Ligen Deutschlands, Finnlands, Schwedens und Tschechiens vergleichen und da hinkt die National-League (NL) in Sachen Abwechslung klar hinterher. Selbst in der sechs Teams umfassenden Spanischen Meisterschaft, gabs in der gleichen Zeit fünf verschiedene Titelträger. Eine Frage der Finanzen? Zwischenzeitlich gibt es in der NL mehr als nur drei Finanzkräftige Teams und die ZSC Lions haben sogar die Playoffs verpasst, so gesehen zählt dieser Aspekt nicht mehr.

Schweizer Mentalität?

Ist es eine Mentalitätsfrage? Denn auch im Schweizer Fussball ging der Titel in den letzten 13 Jahren, mit dem BSC Young Boys, dem FC Basel und dem FC Zürich nur an drei verschiedene Teams. Der HC Genf-Servette und der EHC Biel waren mit dem neuen und «alten» Meister sportlich zwar fast auf Augenhöhe, doch in der entscheidenden Phase hat der letzte Wille oder die Klasse gefehlt. Dabei liebt der «Schweizer» doch die Rolle des Aussenseiters. Denn gleichzeitig ist in keinem anderen Land der Welt, der Qualifikationssieger im Viertelfinal so häufig (5-mal) ausgeschieden wie in der Schweiz. Und dennoch, gewinnt am Schluss immer «Berlin» oder «Weisswasser» oder in der eidgenössischen Version eben Bern oder Zürich, in der langweiligsten Meisterschaft seit Auflösung der DDR.

Die Ligen im Vergleich (seit 2007)

MeisterLiga
10NHL, Tschechien
7AHL, Schweden, Australien
6Finnland, KHL
5Deutschland, EBEL, Grossbritannien, Norwegen, Slowakei, Spanien
4Frankreich
3Schweiz

Das verpasste NHL-Duell

Am 17. April 2013 wurde Reto Berra vom EHC Biel zu den Calgary Flames transferiert. Am 3. November 2013 debütierte der Zürcher in der besten Liga der Welt, als sechster und bisher letzter Schweizer NHL-Torhüter, auswärts mit einem 3:2-Sieg in Chicago. Während seiner Zeit in Übersee und 76 NHL-Partie traf Berra nie auf Jonas Hiller.

Zum Zeitpunkt von Berras Debüt hatte Hiller schon sechs NHL-Jahre hinter sich. Berra wurde am 5. März 2014 von Calgary nach Denver zu den Colorado Avalanche transferiert. Am 1. Juli gleichen Jahres kam dafür Hiller nach Calgary. Nach neun Saisons bei den Anaheim Ducks und Calgary kehrte der Appenzeller als einer der drei erfolgreichsten Schweizer NHL-Goalies in die Schweiz zurück.

Erstes Duell nach der NHL-Karriere

Am 28. September 2018 standen sich Berra und Hiller, welche neben Calgary und der Schweizer Nationalmannschaft auch eine Bieler und Davoser Vergangenheit haben, erstmals nach ihrer NHL-Karriere als Gegner in der Tissot-Arena gegenüber. Nach einer 2:0-Führung der Seeländer, ging das verpasste NHL-Duell noch mit 3:2 an Berra und die Freiburger.

Beim zweiten Aufeinandertreffen, am 16. Oktober 2018 konnte Berra beim 3:0-Heimsieg über Hiller und den EHC Biel sogar einen Shutout feiern. Am 7. Dezember 2018 revanchierten sich Hiller und die Bieler mit einem klaren 4:0-Auswärtssieg. Einen Tag später holte Berra mit Gottéron den zweiten Auswärtssieg gegen Hiller mit einem 4:1 in Biel.

Fünf Duelle vor der NHL-Karriere

Berra und Hiller trafen schon vor ihrem Nordamerika-Abenteuer aufeinander. Die erste Affiche gabs am 5. März 2006 zwischen dem HC Davos und den ZSC Lions. Hiller siegte im letzten Qualifikationsspiel mit den Bündnern gegen Berra und die Lions, welcher als Ersatz für Ari Sulander zum Einsatz kam, mit 5:2.

In den Playoffs 2005-06 standen sich Berra und Hiller während vier Viertelfinal-Partien gegenüber. Auf dem Weg zum 28. Meistertitel der Bündner, ging Hiller dreimal als Sieger vom Eis. Wobei Berra in seiner einzigen siegreichen Partie, für den durch eine Adduktoren-Verletzung ausgeschiedenen Stammkeeper Sulander, nur noch in den letzten neuneinhalb Minuten zum Einsatz gekommen ist.

Hiller führt gegenüber Berra mit 5:3, die nächsten Duelle gibts am 5. Januar 2019 in Biel und am 16. Februar 2019 in Freiburg, sofern die beiden Stammtorhüter eingesetzt werden.

Die Duelle Berra gegen Hiller

5. März 2006, 2:5 in Davos
3. März 2007, 5:2 in Zürich (Berra 9 Minuten und 31 Sekunden im Einsatz)
5. März 2007, 2:4 in Davos
8. März 2007, 1:3 in Zürich
10. März 2007, 0:3 in Davos
28. September 2018, 3:2 in Biel
16. Oktober 2018, 3:0 in Freiburg
7. Dezember 2018, 0:4 in Freiburg
8. Dezember 2018, 4:1 in Biel
5. Januar 2018 in Biel
16. Februar 2018 in Freiburg

https://www.eishockeyblog.ch/nhl-cher/berra/

https://www.eishockeyblog.ch/nhl-cher/hiller/

Foto: Hervé Chavaillaz

Der Erdnuss-Pokal

Seit 1981 ist das HC Davos-Urgestein Paul Berri im Betreuungsstab des 31-fachen Schweizermeisters. In 34 Jahren hat Berri acht Schweizer-Meistertitel (1984, 1985, 2002, 2005, 2007, 2009, 2011, 2015) mit dem HCD gefeiert. Beim achten- und gleichzeitig 31. Titel des Klubs lässt Berri in den Katakomben des Hallenstadions den gelben Plexiglaspokal fallen und der als «unzerstörbar» geltende «Twin-Skate» zerfällt in seine Einzelteile. Kein aktueller Betreuer hat mehr Pokale und Meistertitel gefeiert als der HCD-Teamleiter. In Berris Laufbahn waren schon vier verschiedene Meister-Pokale im Umlauf, drei davon gingen schon durch Berris Hände. Der aktuellste ging eine halbe Stunde nach der Pokalübergabe in die Brüche, das Video ist ein absolutes Highlight. War der Kult-Betreuer etwa zu fahrlässig?

Pokaltechnisch ein Eishockey-Entwicklungsland

Nein. Die Schweiz ist das einzige Land mit einem Plexiglas-Pokal, sogar die Neuseeländer und Spanier jubeln mit traditionsreichem Edelmetall. Seit 1997 feiert der Schweizermeister jeweils in Glas oder Kunststoff. Der SC Bern gewann 1997 als erstes den hässlichen blauen «Schirmständer». Zehn Jahre hat der Schirmständer, welcher auch schon geklaut, zerscherbelt und umgespritzt wurde, überlebt. Den letzten Schirmtitel feierte der HC Davos 2007, ehe der neue postgelbe «Plexi-Ständer» mit dem sechsten Meistertitel der ZSC Lions 2008 seine Premiere feiern konnte. Der von der Designagentur Hug & Dorfmüller gestaltete «Twin-Skate», wurde bei seiner Vorstellung als unzerstörbar betitelt. So kurz wie 2015 war seine Lebensdauer nach einem Titelgewinn aber noch nie, glücklicherweise war es nur ein Replica, denn das Original kommt jewils nicht bis ins Stadion.

If you pay peanuts, you get monkeys

— Sir James Goldsmith (1933 – 1997)

2008 hat sich der ehemals Schweizerische Eishockeyverband (SEHV) marketingtechnisch ein neues Label verpasst. Die Swiss Ice Hockey Federation (SIHF) hat sich der Amerikanisierung des Westens angepasst. Seither wird hier nicht mehr in der traditionellen Nationalliga A und B, sondern in der «National-Hockey-Lea…», natürlich der «National League A and B» gespielt. Anstatt sich pokaltechnisch dem Westen, welcher die Tradition sämtlicher Trophäen ehrenhaft zu pflegen weiss, anzupassen hat die sich die Liga leider nur Namenstechnisch angepasst und damit gleich zwei Identitäten verloren: Den Liga-Namen, gegründet 1937, und den Pokal.

Die verlorene Pokal-Kultur 

Der letzte, richtige Pokal (gestifted durch die Uhrenfirma Omega) wurde mit dem sechsten Titelgewinn des HC La Chaux-de-Fonds 1973 aus dem Verkehr gezogen, seither gibts in der Schweiz nur noch «Erdnuss-Pokale». Sir James Goldsmith sagte einmal: «If you pay peanuts, you get monkeys» (Wer nur mit Erdnüssen bezahlt, braucht sich nicht wundern wenn er von Affen bedient wird), nichts passt treffender als die Plastik-Krönung des Schweizermeisters und dessen Umgang mit dem Lohn für den Titel. Der «Twin Skate»  hat weder Kult noch Tradition, daher ist auch ein «fallen und liegen lassen» für einen frischgebackenen Schweizermeister nur eine Randnotiz. Ein echter und geschichtsträchtiger Pokal wie etwa der erste Omega-Pokal (bis 1957 in einer siebener-Serie vom EHC Arosa gewonnen) würde auch in der Schweiz in ehrenhafter und «nordamerikanischer Tradition»  den Respekt von Trainern, Spielern, Betreuern und Medien ohne auch nur den Hauch von Erdnuss-Kontamination geniessen können.

Für den Schweizermeister 2008 wurde der alte blaue Pokal mit dem Übernamen «Schirmständer» durch den neuen goldenen «Twin-Skate»-Pokal abgelöst. Der «Twin-Skate» ist ein goldener Plexiglaspokal, der einen Eiskristall darstellen soll. Diese Trophäe ist kein Wanderpokal und bleibt im Besitz des Meisters. Der Pokal hat einen Wert von 10’000 Franken, wiegt 12 Kilogramm und ist 60cm gross. Gestaltet wurde der Pokal von der Luzerner Designagentur Hug & Dorfmüller. Nicht nur in der National League kommt dieser Pokal zum Einsatz. Er wird auch den Meisterteams der Swiss-League sowie der Junioren Elite A und B vergeben. Jedoch werden sie dort von Liga zu Liga kleiner.

1946*– 1957Omega-Pokal
1958 – 1973Omega-Pokal II
1974 – 1991Omega-Pokal III
1992 – 1996PlastikIvo Soldini, Ligornetto
1997 – 2007SchirmständerOskar Buchs, Gstaad
*Angabe ohne Gewähr

Wenn der Slogan verwirrt

Beschwerlich ist sie manchmal, die Anreise ins bündnerische Landwassertal, an einem Freitag dauert sie geschlagene vier Stunden. Meistens bleibt da auch keine Zeit für einen Zwischenhalt und wenn du in Davos einfährst hast du Hunger und bist Müde, verschwitzt, hast Durst und musst auf die Toilette, doch eigentlich solltest du in voller Frische deinen Arbeitstag starten. Dies geschieht dann auch, nach abarbeitung der Aufzählung bei der Einfahrt.

Nach der Auffrischung führt der Gang zum Davoser Medienraum entweder durch den inneren Teil der Kathedrale, vorbei vor der Davoser-Fankurve, welche sich schon eine Stunde vor Spielbeginn weit in bierlagigem Zustand befindet oder den Weg aussen um die «Eissporthalle», um dann nochmals das Presseticket vorzuweisen.

Im Davoser Medienraum angekommen hängt das Plakat «DAVOS HOCKEY ZUHAUSE IST.» Was ist denn dass für ein Satz? Germanismen mit Mundart gekreuzt. Eigentlich noch ein cooler Slogan mit coolem Wortspiel, doch warum in zwei Sprachen? «Da vos Hockey dahei isch.» Der Deutsche wird den Slogan zu Beginn nicht verstehen und der Schweizer versteht die durchmischung der Sprachen nicht.

«Zuhause ist» Davos an diesem Abend gegen die ZSC Lions der Verlierer. Zu «Reden-» gibt nicht nur das Werbeplakat, sondern HCD-Neuzugang «bach», oder eben Tyler Redenbach. Reden tut er auch nach dem Spiel, zusammen mit Morris Trachsler, Andres Ambühl und Samuel Guerra im SRF-Interview: «Davos Hockey zuhause ist» oder «Da vos Hockey dahei isch?» Nachhause fahren heissts dann auch für den erneut durch Hunger geplagten, müden, verschwitzten und durstigen Mann aus dem Unterland, einzig der Gang zur Toilette wird noch in Davos erledigt.

20. Februar 2015 – 48. Spieltag

Davos – ZSC Lions 1:2 (0:0, 1:1, 0:1)
Vaillant Arena. – 5’247 Zuschauer. – SR Fischer /Kurmann, Bürgi /Fluri. – Tore: 23. Trachsler (Bergeron, Nilsson) 0:1. 35. Redenbach (Axelsson, Heldner) 1:1. 50. Shannon (Malgin) 1:2. – Strafen: Je 3-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: Davos ohne Reto von Arx, Koistinen, Camperchioli, Lindgren und Sciaroni, ZSC Lions ohne Seger, Keller, Bastl, Neuenschwander, Smith und Fritsche (alle verletzt/krank). Davos ab 59:07 ohne Torhüter.
Davos: Genoni (Senn); Du Bois (2), Kindschi; Heldner, Forster; Jan von Arx, Guerra; Schneeberger (2), Paschoud; Marc Wieser, Ambühl, Dino Wieser; Hofmann, Redenbach, Paulsson; Aeschlimann, Corvi, Axelsson; Simion, Walser (2), Jörg.
ZSC Lions: Flüeler (Boltshauser); Geering, Tallinder; Tabacek, Bergeron; Blindenbacher, Siegenthaler; Karrer, Schnyder; Baltisberger, Cunti (2), Wick; Künzle, Shannon (2), Malgin; Bärtschi, Trachsler, Nilsson; Bachofner, Senteler, Schäppi (2).

Der Mann aus Australien

In der 14. Minute erzielt Andreas Camenzind durch ein herrliches Zuspiel Adrian Wichsers den 1:1-Ausgleich gegen den HC Davos. Die SC Rapperswil-Jona Lakers gewinnen das zweite Saisonspiel mit 3:2 nach Verlängerung gegen Davos. Für den zum Verteidiger umfunktionierten Camenzind ist es der erste Treffer der neuen Saison.

Von Brisbane nach Rapperswil-Jona

Und – es ist der erste Treffer seit «nur» knapp vier Monaten, Camenzinds Pause dauerte kürzer als die seiner Teamkollegen. Seinen letzten Treffer erzielte er mitten im Sommer oder im australischen Winter, am 19. Mai 2012, vor 260 Zuschauern in Melbourne mittels Penalty gegen den Australier Fraser Carson im Tor der Melbourne Mustangs.

Irgendwie verrückt, nach sieben Spielen und 17 Punkten bei den Gold Coast Blue Tongues in Brisbane kehrt der gebürtige Wettinger wieder an den Zürichsee zurück. Nun heissen die Gegner wieder ZSC Lions und HC Davos statt Melbourne Ice und Adelaide Adrenaline und die Mitspieler Jason Spezza statt Marco Bertossa.

Dennoch eine spannende Erfahrung für den Zürcher, der mit einer Australierin verheiratet ist und deshalb die Sommerpause in der Heimat seiner Partnerin als Sommertraining der speziellen Art genutzt hat. Ein kurzer SRF-Auszug von Camenzinds Treffer gibts in der Audio-Datei.

15. September 2012 – 2. Runde

Rapperswil-Jona Lakers – Davos 3:2nV (1:1, 1:1, 0:0, 1:0)
Diners-Club-Arena. – 5’711 Zuschauer. – SR Kämpfer, Kaderli/Wüst. – Tore: 9. Reto von Arx (Sykora/Ausschluss Camenzind) 0:1. 14. Camenzind (Wichser) 1:1. 34. Riesen (Walser, Earl/Ausschluss Corvi) 2:1. 37. Reto von Arx (Joggi, Grossmann) 2:2. 61. (60:46) Earl (Penalty) 3:2. – Strafen: Rapperswil-Jona Lakers 5-mal 2 Minuten, Davos 7-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: Rapperswil-Jona Lakers ohne Sven Berger, Geyer und Grauwiler. Davos ohne Jan von Arx, Guggisberg und Schommer (alle verletzt).
Rapperswil-Jona Lakers: Aebischer; Walser, Winkler (2); Gmür, Camenzind (4); Geiger, Welti; Burkhalter, Earl, Kolnik; Jörg (2), Neukom, Nils Berger; Riesen (2), Wichser, Sejna; Thibaudeau, Hürlimann, Rizzello; Duri Camichel.
Davos: Genoni; Joggi (2), Forster (4); Marha, Grossmann; Back, Schneeberger; Guerra, Ramholt (2); Bürgler (2), Reto von Arx, Taticek; Sykora, Rizzi, Corsin Camichel; Dino Wieser (2), Steinmann, Hofmann; Ryser, Corvi (2), Sciaroni.

Barcelona und die schweren Jungs

Der 39. Industriecup bietet, nach 1987 und 2010, zum dritten mal Gäste aus dem Osten. 1987 gastiert mit TJ Motor Ceske Budejovice erstmals eine ausländische Mannschaft in der damaligen Lysser Eissporthalle. Banska Bystrica ist schon letztes Jahr, zusammen mit Salawat Julajew Ufa, in Lyss dabei. Auch der HC Davos gastiert, nach 1982, 1991 und 1993, bereits im Vorjahr in Lyss.

So auch in der neusten Ausgabe, am Mittwoch Abend zum Turnierauftakt. Der Davos-Car fährt vor, Paul Berri, dienstältester Betreuer aller Ligen und Länder, entsteigt dem «Stiffler-Car» mit den Worten «wia henders?» Er erzählt vom heutigen Fussballspiel des Schweizermeisters gegen die «schweren Jungs» aus dem Knast in Regensdorf, welches aus Bündner Sicht mit 0:1 verloren ging. «Dia hend a paar GANZ schweeri Jungs», sagte ein beeindruckter Berri.

Intensives Programm

Beeindruckend ist auch das Programm der Davoser. Am Vormittag ein Eistraining in Davos, Fussballspiel in Regensdorf, Industriecup-Spiel in Lyss gegen den tschechischen Vizemeister und künftigen Spenglercup-Teilnehmer HC Vítkovice Steel, mit anschliessendem obligatem Nachtessen in Aspi bei Seedorf – Die Bündner gastieren anlässlich des Industriecups zum zweiten Mal im Restaurant Kreuz – spät Abends folgt die Rückfahrt ins Bünderland. Am nächsten Vormittag folgen gleich zwei Eistrainings in Davos, denn auch die Bündner sind «schweri Jungs.»

Zum zweiten Mal beim Traditionsturnier dabei ist der HC Banska Bystrica, der junge Klub aus der Mittelslowakei ist erst sechs Jahre alt, daher der Name «HC ’05 Banska Bystrica», 05 steht für 2005. Für Verwirrung sorgt die Speakerin, welche man als Chrige Nyfeler im Westentaschenformat bezeichnen könnte: «Nöiä Spiustang, Bieu Zwöi, Banska Füf, Ejs», wie? Banska Fünf oder Eins? Ach so, gemeint war wohl Banska ’05 hat bisher ein Tor auf dem Konto?

Mehr als ein Car

Verwirrend ist es weiterhin, denn vor der Lysser Seelandhalle steht der Mannschaftscar des FC Barcelona. Was jetzt? Barcelona, Banska Bystrica oder Biel? Die Slowaken haben den Spaniern den «alten» Car abgekauft – sogar ein Fussball mit allen Unterschriften der FCB-Stars hat im neuen Bystrica-Car einen schönen Platz. Ob die Slowaken ihren neuen Teambus je umspritzen? Morgen wird der Car in Adelboden für Verwirrung sorgen, denn der «FC Barcelona» testet im Berner Oberland gegen den SC Bern.

24. August 2011 – Industriecup

Davos – Vítkovice 1:3 (0:0, 1:1, 0:2)
Seelandhalle. – 562 Zuschauer. – SR Eichmann /Kämpfer; Huguet /Wermeille. – Tore: 27. Taticek (Reto von Arx) 1:0. 29. Burger (Klimek, Malik) 1:1. 47. Huzevka (Szturc) 1:2. 59. Klimek (Burger/Ausschluss Neher) 1:3. – Strafen: Davos 4-mal 2 Minuten, Vítkovice 11-mal 2 Minuten.
Davos (2): Genoni; Jan von Arx, Forster (4); Guerra, Untersander; Geiger, Stoop; Grossmann; Bürgler, Reto von Arx, Sciaroni; Steinmann, Neuenschwander, Sejna; Dino Wieser, Marha, Reymondin; Neher (2), Rizzi, Kuonen.
Vitkovice (2): Malek; Malik (4), Voracek (4), Rehak, Ujcik, Kucsera, Sedlak, Kudelka, Hlinka, Stefanka, Sloboda, Sedivy, Huzevka (2), Sykora (2), Puncochar (2), Strapac, Klimek, Szturc, Ovcacik (2), Burger (2), Pohl (2).

25. August 2011 – Industriecup

Biel – Banska Bystrica 5:1 (1:1, 1:0, 3:0)
Seelandhalle. – 672 Zuschauer. – SR Eichmann /Kämpfer; Huguet /Wermeille. – Tore: 7. Gerber (Fröhlicher) 1:0. 11. Cesik (Kolba, Cebak /Ausschlüsse Bordeleau, Fröhlicher) 1:1. 28. Ehrensperger (Gossweiler, Gerber) 2:1. 42. Spylo (Wieser) 3:1. 58. Steinegger 4:1. 59:42 Zigerli (Huguenin, Bordeleau) 5:1. – Strafen: Je 5-mal 2 Minuten.
Biel: Berra; Preissing, Huguenin; Steinegger, Gossweiler; Wellinger, Fröhlicher (2); Grieder (2); Miéville, Bordeleau (2), Peter; Wetzel, Marc Wieser (2), Zigerli; Ehrensperger, Haas, Truttmann; Spylo, Beaudoin (2), Gerber; Leuenberger.
Banska Bystrica: Kostur; Kolba (2), Kubka, Marcinek, Kokavec (2), Cebak, Kapus, Lison, Cesik, Hricina (2), Kristoffersson, Themar, Memcek, Heizer, Kutny, Bambuch (4), Palov, Petro, Brnak, Cunik.

Nationaltrainer Sean Simpson folgt einer Einladung des SC Lyss und kehrt zurück, wo seine Trainerkarriere vor 20 Jahren beginnt. Mit dieser Mannschaft reist Simpson im Januar 1992 bis hinter den eisernen Vorhang ins sowjetische Sibieren nach Nowosibirsk. Ein Erlebnis welches im nachhinein als Pionierleistung des Provinzclubs nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Im Rahmen des 39. Lysser Industriecups wird Simpson, der noch heute Kontakte ins Seeland pflegt, als Ehrengast nach Lyss eingeladen. Beim damaligen NLB-Team SC Lyss, beginnt Simpson vor 20 Jahren als Nachwuchs-Chef und Ersatzausländer seine Trainerlaufbahn, ehe er zum EV Zug wechselt.

Nebst Nationalcoach Simpson werden auch alle Spieler seines Teams der ersten Stunde, die Junioren A2 und das Fanionteam 1991-92, eingeladen. Und sie kommen, ausser vom Junioren-Team, fast alle. Der bekannteste unter ihnen ist Serge Meyer, welcher seine Karriere wenige Monate zuvor beim SC Langenthal beendet.

Das «meet-and-greet», bei dem auch ehemalige Vorstandsmitglieder und langjährige Clubmitglieder im Club-Gründungslokal Restaurant Bären in Lyss erscheinen, dauert bis in die frühen Morgenstunden. Und nicht nur Simpson verabschiedet sich mit den Worten: «It was a great night.» Als Dank, lädt Simpson seine ehemaligen Schützlinge im Februar 2012 nach Bern an ein Länderspiel seiner heutigen Schützlinge ein.

26. August 2011 – Industriecup

SCL Tigers – Vítkovice 3:4 (1:2, 2:1, 0:1)
Seelandhalle. – 513 Zuschauer. – SR Küng /Stricker; Espinoza /Kaderli. – Tore: 6. Stefanka (Ujcik, Sykora) 0:1. 11. Huzevka (Stefanka, Rehak /Ausschluss SCL Tigers) 0:2. 17. Reber (Pelletier, Perrault /Ausschluss Sloboda) 1:2. 26. Burger (Klimek) 1:3. 30. Simon Moser (Haas, McLean) 2:3. 34. Bucher 3:3. 43. Huzevka (Sykora /Ausschluss Sedivy!) 3:4. – Strafen: SCL Tigers 10-mal 2 Minuten, Vítkovice 9-mal 2 Minuten.
SCL Tigers (2): Leimbacher; Lindemann, Lüthi; Reber (4), Christian Moser (4); Schilt, Rytz; Stettler, Lardi; Perrault (2), Pelletier (2), Leblanc; Claudio Moggi, Haas (2), Sandro Moggi; Neff, Gerber, Simon Moser (2); Bucher, Gustafsson, McLean (2).
Vitkovice (4): Malek; Malik (2), Voracek (2), Rehak, Ujcik, Kucsera, Sedlak, Kudelka, Hlinka, Stefanka (2), Sloboda (4), Sedivy (2), Huzevka, Sykora, Puncochar (2), Strapac, Klimek, Szturc, Ovcacik, Burger, Pohl.

Die Kehrseite der Medaille oder Können statt Wollen

30 Meistertitel seit 1921 – oder 5 Meistertitel in den letzten zehn Jahren – was für eine Bilanz! Die Baumeister aller fünf Erfolge seit 2002 sind Arno Del Curto und Reto von Arx. Das Erfolgsduo funktioniert schon in der Juniorern Nati, als die Schweizer (vorher nur Kanonenfutter) an der Junioren WM 1995 in Boston erstmals die Kanadier an den Rande einer Niederlage bringen. Das Duo ist für den HC Davos ein wahrer Glücksfall, ich behaupte: «Ohne das Duo Del Curto/von Arx wäre Davos höchstens Mittelmass. Für den HCD also ein Glücksfall, nicht aber fürs Schweizer Eishockey.»

Ein Spieler wie von Arx hätte sich in der NHL durchsetzen können/müssen! Seine Klasse ist unbestritten, der Emmentaler hätte es in Übersee packen können, er ist nicht schlechter als Jochen Hecht oder Marco Sturm (um nur zwei Beispiele unseres Deutschen Nachbars zu nennen). Reto von Arx ist lieber ein König in der NLA, als ein Prinz in der NHL. In keinem anderen Land spielt der wohl beste Stürmer nicht fürs Nationalteam – genug Befriedigung für einen Stürmer wie Von Arx? Ist der Schweizermeistertitel oder ein Spenglercup-Pokal das höchste aller Eishockey Gefühle? Auf diese Frage würden mir Mark Streit und Nino Niederreiter wie Arno del Curto mit einem «Kopfschütteln» den Rücken zukehren.

Desselbe gilt für den Davoser Erfolgstrainer. Der König unter den NLA Coaches begnügt sich mit nationalen Meistertiteln und Spenglercup-Pokalen (ein Freundschaftsturnier) – mehr will er nicht? Genau so wie sich Reto von Arx in der NHL hätte durchsetzen können, hätte Arno Del Curto die Schweizer Nati zu einer Medaille führen können. Dennoch begnügt sich der Engadiner lieber in der «Bündner Komfortzone.» Für das Duo Del Curto/von Arx ist ein Schweizermeistertitel die höchste Form ihrer «Selbstverwirklichung des Eishockeys.»

Wie gesagt, für die einen ein wahrer Glücksfall, für die anderen ein Jammer – und – «hätten und wären» gibt es genau so wenig, wie von Arx im Trikot der Blackhawks oder Del Curto hinter der Schweizer Bande. Dennoch, herzliche Gratulation zum fünften oder 30. Meistertitel!

Die fehlende Sekunde der Resega

Wenn der HC Lugano kurz vor einem Schweizermeister-Titel steht, dies Zuhause in der «Pista-la-Resega», gibts in der «Curva-Nord» kein halten mehr. Die Spannung des fanatischen Publikums ist kaum zu beschreiben, vielleicht ist es wie kurz vor dem Start zu einem 100-Meter-Final. Wenn der Startschuss erfolgt, explodiert der 100-Meter-Sprinter. Für Lugano heisst das, die Fans brechen über Banden und Abschrankungen herein, wie beim Bruch eines Staudamms.

Wenn also Ville Peltonen bei Spielzeit 59 Minuten und 59 Sekunden, die Scheibe im leeren Davoser Kasten zum 3:1 versenkt, dann wars dies. Das Schauspiel ist unbezahlbar und emotional kaum zu verarbeiten und das Erlebnis für jeden nicht-Lugano-Fan fast beängstigend. Es ist die pure Leidenschaft des gesamten Sottoceneris welche hier in wenigen Minuten wie der Lago di Lugano überläuft.

„Die Dämme brechen bei Peltonens 3:1, eine Sekunde vor Schluss.“

— Michael Krein

Auf dem Videowürfel steht immer noch 59:59, die Spieler sind bereits im Fan-Taumel unter gegangen und auf dem Würfel leuchtet «CAMPIONI!!!» Wo sind die Schiedsrichter? Wo sind die Gäste aus dem Bündnerland? Muss die Sekunde noch gespielt werden oder darf man eine Sekunde vor dem offiziellen Spielende den Match so als zu Ende gespielt werten? Und der Meisterschütze Peltonen? Wird mit Sprechchören «Vii-lle Pel-too-nen» frenetisch gefeiert.

Selbstverständlich wäre in dieser Sekunde nichts mehr passiert. Lugano war seit dem vierten Viertelfinal-Spiel, am 14. März, nach dem Overtime-Sieg in der Leventina gegen den HC Ambrì-Piotta nicht mehr zu stoppen. Einen Monat später, am 13. April, knapp vor 22 Uhr 30, geht die wohl beeindruckendste Auferstehung in der Geschichte des Schweizer Eishockeys mit dem siebten Meistertitel Luganos, eine Sekunde zu früh, zu Ende.

Der siebte Titel Luganos stillt selbst unseren Hunger noch nicht, so gibts in der ebenfalls ausverkauften Resega-Bar «Club 41», keine Champignons Pizza, sondern eine Campioni-Pizza, welche uns den Magen füllt. Die Meisterfeier auf dem Gemeinde-Boden «Porza» dauert noch bis in die frühen Morgenstunden und auch in der Meisterkabine schauen wir bei Sannitz und Co. kurz vorbei. Unser Nachtlager übrigens, wurde vor dem Spiel kurzerhand durch meine Arbeitskolleginnen der Manpower-Filiale, an der «Via Pretorio» organisiert, «Grande» dieses Lugano.

«Pizza-Campioni» mit meinem langjährigen Sturmpartner Markus Eggimann (links) und Michael Möri. (Claude Moeri)

13. April 2006 – 5. Finalspiel

Lugano – Davos 3:1 (1:0, 1:1, 1:0)
Resega. – 7’800 Zuschauer (ausverkauft). – SR Reiber, Wehrli /Wirth. – Tore: 9. Nummelin (Jeannin, Gardner /Ausschluss Sutter) 1:0. 22. Guggisberg 1:1. 25. Sannitz (Nummelin, York /Ausschluss Kress) 2:1. 60. (59:59) Peltonen (Metropolit, ins leere Tor) 3:1. – Strafen: Lugano 5-mal 2 Minuten, Davos 8-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: Lugano ohne Conne (verletzt), Bianchi, Hänni, Norris und Oksa (alle überzählig), Davos ohne Heberlein (verletzt), Blatter und Wilson (beide überzählig). – Davos ab 59:19 ohne Goalie. – Time-outs: 60. (59:24) Lugano, 60. (59:49) Davos.
Lugano: Rüeger; York, Vauclair; Guyaz, Cantoni; Nummelin, Hirschi; Gardner, Metropolit, Peltonen; Hentunen, Sannitz, Jeannin; Näser, Wirz, Murovic; Reuille, Romy, Fuchs.
Davos: Hiller; Gianola, Jan von Arx; Hauer, Häller; Winkler, Kress; Ramholt, Ackeström; Riesen, Reto von Arx, Christen; Juhlin, Marha, Hahl; Guggisberg, Rizzi, Ambühl; Bruderer, Sutter, Burkhalter.

Im Nebel von Porza

Bei frühlingshaften Temperaturen ins Tessin zu fahren ist ein herrliches Gefühl, wenn dazu noch die Meisterschaft des Lieblingssports entschieden werden kann, dann ist es die schönste Zeit des Jahres oder eben die wunderbare Zeit der Playoffs. Ab der Autobahnausfahrt Lugano-Nord gehts «via» Silva, Tesserete und Adolfo e Oscar Torricelli Richtung Porza, die Resega steht auf dem Gemeindeboden des 1’500-Seelen Dorfes. Auch da versuchte man sich einst, mit Trainer Andy Ton, in der dritthöchsten Klasse mit eigenem Hockey-Club, verschwand dann aber wie der Petarden-Nebel der berühmten Spielstätte.

Diese Spielstätte, 1995 erbaut, konnte heute erstmals in der Geschichte einen Meistertitel vor heimischem Publikum feiern. 1999 triumphierten die Bianconeri in Ambri und 2001 verlor man das siebte Spiel in der Overtime gegen Zürich. Heute soll die Lappalie, in der proppenvollen – wie in Finalspielen üblich – «Pista la Resega» endlich realisiert werden. Um noch einmal ins Bündnerland und damit zu einem siebten Spiel zu kommen, braucht der HC Davos, wie in Spiel zwei der Serie, einen Sieg im Tessin.

Dass sich die Luganesi schwer tun, wenn Zuhause alles für den Titelgewinn angerichtet ist, ist seit der Playoff-Serie 2001 bekannt. Am 3. April, Lugano führt in der Serie gegen die ZSC Lions mit 3:1, geht das erste «Meisterspiel» mit 3:6 verloren und auch die zweite Chance am 7. April im siebten Spiel vermasseln die Bianconeri bei der 1:2 Overtime-Niederlage. Nicht aber am 8. April 2003, der Anspruch auf den sechsten Titel machen die Luganesi schon im ersten Drittel geltend und führen mit 3:0 – der Rest ist nur noch Kür, zum zweiten Gewinn des blauen «Schirmständers» – und dieses Mal verschwindet nicht der HC Porza, sondern der HCD im Petarden-Nebel der neu gekrönten Spielstätte.

Zum ersten mal holen die Bianconeri die Meistertrophäe in der neuen Resega. (Slapshot)

Dienstag, 8. April 2003

Lugano – Davos 4:0 (3:0, 0:0, 1:0)
Resega. – 8’250 Zuschauer (ausverkauft). – SR Reiber, Mauron / Rébillard. – Tore: 7. Conne (Fuchs, Wichser) 1:0. 11. Gardner (Rötheli, Astley /Ausschluss Häller) 2:0. 17. Convery (Näser) 3:0. 52. Jeannin (Conne, Maneluk) 4:0. – Strafen: Lugano 3-mal 2 Minuten, Davos 2-mal 2 Minuten. – Bemerkungen: Lugano ohne Richter und Millen (überzählig) und Sannitz (verletzt). Davos ohne Heberlein (verletzt).
Lugano: Rüeger (Lauber); Keller, Guyaz; Patrick Sutter, Astley; Nummelin, Bertaggia; Hänni; Maneluk, Convery, Jeannin; Fair, Aeschlimann (2), Näser (2); Wichser, Conne, Fuchs; Murovic, Rötheli (2), Gardner; Cantoni.
Davos: Weibel (Hiller); Kress, Gianola; Ott, Forster; Häller (2), Winkler (2); Blatter, Jan von Arx; Christen, Marha, Riesen; Miller, Reto von Arx, Bohonos; Paterlini, Rizzi, Fischer; Neff, Fabian Sutter, Ambühl.