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Latvijas Balzams

Am Tag des jüngsten Schweizer-Gerichtes erreicht mich eine Whatsapp-Nachricht des ehemaligen Pressechefs der ZSC Lions, seine Zeilen sind für mich wie Balsam, sie haben für alles entschädigt was in den letzten Stunden passiert ist. Ich hatte wieder mal recht, ich habe das ganze bereits vorausgesagt, noch bevor die Deutschen sich für den Viertelfinal qualifiziert haben. Das ist der Grund für die Existenz dieses Blogs, für die Geschichten und Begegnungen aus fernen Eishockeyländern, sie bieten den Inhalt und das schreiben dieser Geschichte. Es sind unvergessliche Erlebnisse dieser Weltmeisterschaft in Lettland, mit einer Handvoll guter Freunde, welche ebenfalls alle infiziert sind, vom Volksfest des vielseitigsten Turniers der Welt.

WhatsApp von 20 Uhr 14

Manche mögen mich dafür hassen, manche mögen mich als Besserwisser und Klugscheisser bezeichnen und manche denken ich sei ein Landesverräter. Doch so bin ich nicht, würde der Hangover-Zahnarzt in Thailand sagen, viel zu lange verfolge ich das Geschehen an den Weltmeisterschaften, um nicht zu wissen, dass sich die Geschichte gegen Deutschland nie ändern wird. Als langjähriger WM-Beobachter hat man gelernt die Enttäuschungen besser zu verdauen und seine Denkweise über die Jahre angepasst. Nichts daraus gelernt hat das Schweizer Nationalteam und versagt immer wieder aufs Neue gegen den «leichtesten Gegner.» Und da liegt der erste Irrtum, Deutschland ist für uns der schwerstmöglichste Gegner, schwerer als die USA, schwerer als Finnland, Kanada und Tschechien. Auch mit zwölf NHL-Cracks würden wir vor Ehrfurcht erstarren. Martin Plüss erklärt die Schweizer-Misere am Samstag-Abend nach den Halbfinals auf SRF hervorragend, es ist die beste Analyse über unser Nationalteam welche je über einen Sender geht.

Die netten Letten

Daher widmen wir uns lieber dem Gastgeberland, welches Dank uns in den Halbfinal eingezogen ist, wir haben sie im letzten Spiel aufgebaut und uns abgebaut. Die netten Letten erhellen unser Gemüt in allen Belangen. Da gibts diese «s» am Schluss, welche wir seit der B-WM 1994 kennen, auch die «Grils, Bars und Restaurans» schreiben sich so. Weiter gibts den Nationalschnaps Black Balzams, die Altstadt – Unesco-Kulturerbe – verzückt mit Gässchen, schmucken Bars und Restaurants, mehreren WM-Public-Viewings und die Daugava, da gabs einst den HC Pardaugava Riga, Rigas Fluss quer durch die lettische Hauptstadt. Mit der «RVR» (Rigas-Vagonbüves-Rupnica) der Linie Pasazieru-Vilciens erreicht man den kilometerlangen Sandstrand Jürmala. Dort erkennen wir einen flotten älteren Herrn, Rino Hischier, Nicos Vater geniesst mit Nicos Mama Katja – übrigens sehr flotte Leute – die Strandstunden vor dem Tschechien-Spiel ebenfalls an der baltischen Ostsee.

Die Schweizer verzücken in den Partien vier bis sechs mit dem besten Eishockey seit Jahren, alle drei Spiele sind ein Highlight, ein Höhepunkt bieten auch die Spiele der Letten, diese sind jeweils ausverkauft. «Latvija-Latvija» oder «Sarauss-Sarauss», wie auch immer man es schreibt, hallt es in der Riga-Arena, welche seit dem KHL-Aus von Dynamo Riga, leider nicht mehr für Eishockey genutzt wird, als Folge des sinnlosen Krieges. Unsere Tickets erhalten wir von einer netten Lettin, doch die Plätze 7, 8 und 9 auf den Reihen 9, 8 und 7 sind sogar eine Herausforderung für jeden Mathematiker. die Stimmung ist bombastisch und der nette Lette neben mir erklät mir weshalb nicht jeder lettische Name, wie etwa Batna, Cukste oder Zile, mit einen «s» endet. Zwei mit «s» und somit nicht feminine Nachnamen haben die beiden «Schweizer» Ronalds Kenins und Toms Andersons.

Lokales und Kulinares

Derweil führt Langnaus Lette, Oskars Lapinskis, aus dem erweiterten lettischen Nationalkader seine Gewährsleute aus dem Emmental, darunter auch ein Stanley-Cup-Sieger, durch die Lokale seiner Heimatstadt. Unter anderen trifft man sich im Steakhouse Meat-Chef, wo wir uns mit der Fraktion Biel/Meinisberg eine Rechnung, in der länge der Boston-Bruins von 2011, von 1’000 Euro gönnen. Später will sich, vor dem berüchtigten Rock-Café, ein betrunkener Lette ein Foto mit Enzo Corvi (ich) und Fabrice Herzog (Mathiass Schneiders) gönnen, wir können ihn nicht von unserem Unbekannheitsgrad überzeugen und gehen als die beiden Schweizer durch. Dann ist da noch ein Mann aus «UK» wie er sagt, er spiele auch ein bisschen Hockey. Durch mein hartnäckiges Nachhacken entpuppt sich dieser als echter Bekannter und ich werde zum «betrunkenen Letten» der ein Bild mit Robert Lachowicz, ich hab ihn schon bei Nottingham in der Champions-Hockey-League gegen Bern kommentiert, schiessen will. Lachowicz stieg einen Monat zuvor mit den Briten in der B-Gruppe in die A-Gruppe auf und wird in Prag und Ostrava wieder auf dem Eis, auch gegen die Schweiz, mit dabei sein.

Mit dabei sind wir auch bei lettischen Kulinaritäten im Restaurant «Key-to-Riga», welches uns bereits unser nette-Lette-Taxifahrer Aigars empfielt, dort beehrt uns mein ehemaliger Mini und Novizen-Trainer Erich B. mit zwei Gefolgsmänner aus einem schwedischen Automobilkonzern. Man kennt und trifft sich überall, Schweizer überfluten die WM-Stadt in einer Weiss-Roten-Welle jeweils am zweiten WM-Wochenende. Die WM ist EIN grosses, friedliches Hockeyfest. Von Spaniern aus Puigcerda, Deutschen aus Weisswasser, Tschechen aus Ostrava, Briten aus Manchester und gar Österreicher aus Wien findet man auch Fans, welche die WM auch ohne ihre Mannschaft (Deutschland und Österreich spielen in Tampere) beim grossen Volksfest in Riga verfolgen.

Letzterer, der Österreicher aus Wien, ist der Eingangs erwähnte ehemalige Presseverantwortliche der Lions. Einst kennengelernt im Rahmen der ersten Champions-Hockey-League-Kampagne überstrahlen die Freundschaften den Hockey-Globus auf Lebzeiten – und trifft man sich übers Jahr nie – dann spätestens an der WM-Spielstätte, irgendwo in einem Zug in Tampere oder in Riga. Als Alternative zu öffentlichen Verkehrsmittel und Fussmärschen bieten die grünen E-Trottinetts des Anbieters Bolt, neben gewinnbringender Zeit, auch allerhand Spass. Der Spassfaktor ist so gross, dass du erst am dritten Tag bemerkst, dass du ausser Bier und ein einem Morgen-Kaffee nie eine andere Flüssigkeit zu dir genommen hast. Auch körperlich verlangt dir eine Weltmeisterschaft einiges ab. Das Fazit jedoch, egal ob das Heimatland am Ende enttäuschen wird, darf als unvergesslich und unbezahlbares Erlebnis im Langzeitspeicher gesichert werden. Für alles andere gibts Mastercard, was insbesondere für die Trottinetts tatsächlich gilt.

>Hier gehts zur Weltmeisterschaft

Eindrücke und Impressionen aus Riga: Samuels Fankhausers*, Mikelis Kreins*, Matthiass Schneiders* und Specialguest Andreass Hatos* und die Biel/Meinisberg-Fraktion

*Namen in lettisch